Testi

Periodo Consiglio federale

01.03.2007

«Denken kann ich immer noch»

«Bundesrat Christoph Blocher würde das Messerstecher-Inserat nicht mehr machen, findet es überflüssig, Mitarbeiter zu loben, und sieht sich als eher einsamen, nicht sehr mächtigen Politiker.» 01.03.2007, Weltwoche, Roger Schawinski Herr Bundesrat, Sie waren lange Unternehmer. Seit drei Jahren sind Sie Manager. Was ist besser? Unternehmer. Man hat dort mehr Gestaltungsmöglichkeiten, das ist eindeutig. Das Kommandieren haben Sie immer als Ihre Stärke bezeichnet. Das können Sie jetzt nicht mehr. Fehlt das Ihnen heute? Kommandieren ist weder meine Art noch meine Stärke. Ich musste viel führen, darum kann ich dies relativ gut. Als Unternehmer und Mehrheitsaktionär war mein Schicksal mit dem Unternehmen verbunden. Als Unternehmer stand ich unter dauerndem Druck der Konkurrenz. Das stärkt. Das ist jetzt in der Verwaltung etwas anders. Dafür stehe ich hier unter politischem Druck. Und ich habe mehr Einengungen und weniger Entscheidungskompetenzen. Aber wenn Sie sagen, die Unternehmerrolle ist die stärkere, weshalb haben Sie zur schwächeren gewechselt? Ich war Unternehmer und Politiker und habe während zwanzig Jahren massiv Einfluss genommen auf die Politik. Am Schluss leider als Oppositioneller, weil die anderen aus meiner Sicht einen falschen Weg gegangen sind. Dann hat die SVP in den Wahlen so stark zugelegt und war plötzlich doppelt so stark wie 15 Jahre zuvor. Die Übernahme der Regierungsverantwortung hat sich daraus ergeben. Es war eine Sache der Glaubwürdigkeit. Ich konnte es verantworten, weil meine Kinder selbst das Unternehmen übernehmen konnten. Sie sagen also, die Wirtschaft sei effizienter als die Bundesverwaltung. Ja. Aber auch nicht alle Unternehmen. Aber als System? Ja, als System. Nicht weil die Wirtschaftsleute bessere Menschen sind, sondern weil sie unter gewaltigem Wettbewerbsdruck stehen. Wir haben in der Wirtschaft auch immer erst unter Druck reagiert. Dieser Druck fehlt in der Verwaltung. Es gibt ja keine Konkurrenz, die es besser macht. Deshalb bin ich der Meinung, dass man Bereiche wenn immer möglich der Wirtschaft übergeben soll. Ein Kennzeichen dieser besser funktionierenden Wirtschaft gegenüber der Verwaltung sind die Altersbeschränkungen. Leute, die ein gewisses Alter erreicht haben, sind offenbar nicht mehr in der Lage, dieser Konkurrenz standzuhalten. In der Politik ist das anders. Ich hätte als Unternehmer meine Firma bis neunzig führen können. Die grossen Firmen werden nicht von Unternehmern geführt, sondern von Managern. Ja, und grosse Unternehmen haben Altersbeschränkungen bei siebzig, unabhängig davon, ob dies im Einzelfall richtig oder falsch ist. Nein, die meisten schon bei 65 oder gar bei 62. Ich habe Altersbeschränkungen immer als eine fragwürdige Einrichtung gesehen. Das ist nämlich das Zeichen, dass man nicht den Mut hat, jemandem zu sagen: Jetzt bist du vorbei. Dabei hätte man auch sagen können: Wir kennen uns, du bist nicht mehr tüchtig! Ich habe immer die Haltung vertreten, wir brauchen ältere und jüngere Leute. Junge sind entscheidungsfreudiger. Aber sie haben weniger Erfahrung. Ich bin der älteste Bundesrat. Körperlich bin ich weniger leistungsfähig als vor dreissig Jahren. Doch ich mache vieles schneller und besser, weil ich grössere Erfahrung habe. Sie haben mehrfach gesagt, dass Konrad Adenauer Ihr Vorbild ist. Früher erklärten Sie mir immer, Sie würden bis 2026 SVP-Präsident des Kantons Zürich sein. Inzwischen haben Sie Ihr Ziel etwas höher gesteckt, nämlich bis zu diesem Datum im Bundesrat zu verbleiben. In den meisten Demokratien gibt es Amtszeitbeschränkungen, sogar in Russland. Eine Amtszeit von über zwanzig Jahren wäre schon sehr seltsam. Ganz ernst war ja diese Bemerkung nicht, aber ich verachte die Unsitte, dass, kaum ist man gewählt, man schon über einen möglichen Rücktritt spricht. Wer eine Aufgabe anpackt und bereits schon daran denkt zurückzutreten, nimmt das Amt nicht ernst. Clausewitz hat gesagt: Wer den Rücktritt plant, tritt ihn auch an. Im Übrigen werden wir ja gewählt. Das heisst, andere bestimmen, wann man ein Amt beendet. Also entscheide ich ja nicht selber. Doch. Bei Schweizer Bundesräten ist es seltsamerweise die Regel. Sie entscheiden selbst. Bei einem umstrittenen Politiker, wie ich es bin, würde man, wenn man auch nur schon mit der Lupe eine Spur von Altersmüdigkeit erkennen könnte, sofort den Rücktritt fordern. Sie schlagen fürs neue Aktienrecht viel mehr Demokratie vor als bei der Wahl des Bundesrats. Jeder Verwaltungsrat soll Ihrer Meinung nach jedes Jahr von den Aktionären neu gewählt werden müssen. Die Bundesräte werden hingegen nicht vom Volk gewählt, und dann nur alle vier Jahre. Das erscheint mir recht seltsam. Ja, das ist seltsam. Sie wissen, dass ich seit zwanzig Jahren für die Volkswahl der Bundesräte eintrete. Leider hat das jetzt keine Chance. Wenn Bundesräte auch jährlich ihre eigene Entschädigung festsetzen würden wie in Verwaltungsräten, dann habe ich kein Problem damit, dass sie jährlich gewählt werden. Sie haben Ihren langjährigen Generalsekretär Walter Eberle von der Ems Chemie hierher ins Bundeshaus mitgenommen, wo er eine ähnliche Funktion für Sie ausübt. Er hat mir einmal mit strahlenden Augen erzählt, dass Sie ihn seit zwanzig Jahren nicht ein einziges Mal gelobt haben. Das ist möglich. Wenn ich jemanden einstelle, dann sage ich, dass ich diese Loberei nicht mitmache. Leute, mit denen man eng zusammenarbeitet, die merken, ob man mit ihnen zufrieden ist oder nicht. Das hat ihn sicher nie gestört. Es erstaunt mich nur, weil es ein feudalistisches Gehabe ist. Der König muss seine Untergebenen nicht loben, weil die Positionsunterschiede eindeutig und unverrückbar sind. Sie sehen, er arbeitet gerne mit mir. Diese billige Loberei – das ist ja wirklich billig, ihm ständig zu sagen: «Das häsch dänn guet gmacht.» Bei Ihnen hat man das Gefühl, man muss dafür dankbar sein, dass man in Ihrer Nähe sein darf. Das entspricht nicht ganz dem heutigen Zeitgeist. Ich kann Ihnen sagen: Die Leute, die nicht auf diese Loberei angewiesen sind, das sind gute Leute. Sie arbeiten mehr als andere. Tun Sie das, weil Sie das möchten oder weil Sie weniger lang schlafen können? Ich bin nicht arbeitssüchtig. Ich freue mich, wenn ich die Arbeit niederlegen kann. Ich habe einen disziplinierten Wochenverlauf. Als Unternehmer habe ich nur bis Samstagabend um fünf Uhr gearbeitet. Nie am Sonntag. Das ist heute nicht immer möglich, weil ich gewisse Repräsentationspflichten habe. Wenn ich ein Problem sehe, dann muss ich es lösen. Daher muss ich viel arbeiten. Wann stehen Sie am Morgen auf? Um halb sechs. Manchmal früher, wenn es nötig ist. Das halte ich so seit meiner Zeit als Bauernknecht. Aber da ging man auch früher schlafen und nicht noch zu irgendwelchen Veranstaltungen. Nein, da war ich noch im Flegelalter. Da waren wir nicht immer um neun Uhr im Bett. Gibt es Momente, wo Sie sich schlapp fühlen? Ja, müde. Nach grossen Tätigkeiten bin ich müde. Auch am Abend bin ich in der Regel müde. Es gab auch Zeiten, in denen ich am Boden war und mich zurückziehen musste. Nach dem EWR-Kampf hatten Sie ein Burnout. Ja, wenn Sie dem so sagen wollen. Das gab es damals noch nicht. Wie nennen Sie es? Nun, ich war «uf de Schnure». Haben Sie hie und da Motivationsprobleme? Das mit der Motivation habe ich nicht gerne. Wenn man mich fragt: Müssen Sie sich nie zwingen?, dann sage ich: Jeden Tag und immer wieder, und manchmal muss ich mich überwinden. Im Gesamten aber habe ich Freude an der Arbeit als Bundesrat. Welche Dinge widerstreben Ihnen am meisten? Diese langen Sitzungen. Da denke ich immer wieder, das ginge auch schneller. Welche Sitzungen? Diejenigen des Bundesrates? Nein, im Bundesrat sind wir eigentlich eher rasch durch. Ich finde, man könnte noch etwas mehr vertiefen. Aber bei nationalrätlichen Parlamentskommissionen sitzen wir manchmal ganze Tage, um sehr allgemeine Dinge zu besprechen. Müssen Sie in diesen Sitzungen immer Aufmerksamkeit zeigen? Ja, ich bin aufmerksam. Es wäre wahrscheinlich nicht immer notwendig. Das merkt man aber erst hinterher. Bundesrat Schmid hat gesagt, er werde wieder antreten, auch wenn Sie nicht gewählt würden. Hat er Sie darüber im Vorfeld informiert? Er hat mich nicht informiert, aber ich habe es auch nicht erwartet. Die Partei hat entschieden: Wenn man mich oder ihn abwählt, geht die SVP in die Opposition. Wenn einer trotzdem als Bundesrat gewählt wird und er bleibt, ist er einfach nicht mehr Mitglied der Partei. Der Wahlkörper muss selbst wissen, ob er dann einen parteilosen Bundesrat haben will. Sie haben immer gesagt, der Staat sei zu stark in der Schweiz. Sie sind nun seit drei Jahren Bundesrat. Wo haben Sie ihn schon massgeblich geschwächt? Ich habe massive Kostensenkungs-Massnahmen in der Verwaltung durchgeführt. Das ist das Einfachste. Das haben Sie schon in jeder Firma so gemacht. In Firmen schon. Aber in der Verwaltung ist das nicht so einfach. Wenn Sie Kosten zurücknehmen, dann schwächen Sie den Staat in Gebieten, wo er nicht nötig ist. Ich habe auch eine Reihe von Gesetzen gemacht, um die Privaten mehr zum Zug kommen zu lassen. Jetzt kommt die Energiediskussion. Die Energieversorgung des Landes ist Sache der Privatwirtschaft. Wir müssen ihr die Möglichkeit geben, Kraftwerke zu bauen – und basta. Das ist, wenn Sie so wollen, eine Schwächung des Staates. Ich bin für einen starken Staat, aber Stärke nur dort, wo die Aufgaben nötig sind. Wenn man wirklich Kosten sparen will, muss man Subventionen abbauen. Wie viele Milliarden haben Sie bei der Landwirtschaft eingespart? Das ist nicht mein Departement. Aber es müsste trotzdem ein Anliegen von Ihnen sein. Hier könnte man am effizientesten sparen. Kommt darauf an, was Sie wollen. Kein Land unterstellt die Landwirtschaft der freien Marktwirtschaft. Es geschieht also nichts in diesem Bereich. Das kann man so nicht sagen. Ich bin für einen freieren Markt für die Landwirtschaft, für den Abbau von staatlichen Vorschriften und damit für mehr Freiheiten für die Landwirte. Da setze ich mich ein. Dann braucht es tatsächlich weniger Unterstützung. Ist es nicht ein heikles Thema, das Sie im Hinblick auf die SVP-Wählerschaft nicht prioritär angehen möchten? Ich finde es viel heikler, wenn man in der Privatwirtschaft, die keine Subventionen haben dürfte, Unterstützungen gibt und damit den Wettbewerb und die Wirtschaft lähmt. Die ganze Hotellerie etwa oder die Tourismus-, Wohnbau-, Medien-, Wirtschafts- und andere Förderung. Das schwächt die Gesunden. Wir brauchen auch private Fernsehsender, Konkurrenz. Da habe ich Sie immer unterstützt. Wir sind in einem Wahljahr. Sie können nicht mehr das tun, was Sie immer getan haben, nämlich einen offenen Wahlkampf führen. Sie müssen nun einen verdeckten führen. Ich führe keinen verdeckten Wahlkampf. Diesen Eindruck habe ich nicht. Für mich sind Wahlen Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen politischen Wegen. Und jetzt sagt man, ein Bundesrat äussert sich nicht zu den Wahlen, als ob ein Bundesrat ein politischer Eunuch wäre. Ich habe doch eine politische Gesinnung. Ich bin nicht nur Manager, wie Sie am Anfang des Gesprächs gesagt haben, ein Bundesrat ist in erster Linie ein Politiker. Das heisst, Sie setzen immer noch die Wahlkampfthemen, zum Beispiel die Ausschaffung von kriminellen jugendlichen Ausländern. Haben Sie das bessere Gespür für solche Themen als andere in Ihrer Partei oder weniger Skrupel, heikle Themen aufzugreifen? Es gehört in meine Verantwortung als Chef des Justiz- und Polizeidepartements. Es ist insbesondere meine Aufgabe, das zu sagen. Aber es ist auch Wahlkampf. Nein, es ist kein Wahlkampf. O.k., Vorwahlkampf. Wir sind nun eben im Wahljahr, da können Sie alles als Wahlkampf nehmen. Ich mache auch das Obligationenrecht, weil ich zuständig bin. Aber damit holt die SVP keine Stimmen. Die Bundesratsparteien haben die Jugendkriminalität auf die Traktandenliste der Von-Wattenwyl-Gespräche gesetzt, nicht ich. Da nehme ich Stellung dazu. Ich kann als Bundesrat in dieser Situation zunehmender Gewalt mit einem hohen Anteil ausländischer Täter nicht schweigen. 60 Prozent der Taten werden von Ausländern verübt mit einem Schwergewicht von Leuten aus dem Balkan. Da müssen wir etwas tun. Und in schweren Fällen auch ausweisen. Dazu fehlt heute die gesetzliche Grundlage. Nicht durchwegs. Die Migrationskommission vertritt diese Meinung. Ja, komischerweise. Man muss diesen jungen Leuten die Konsequenzen mitteilen, dass sie ausgewiesen werden können. Für gewisse Fälle haben wir die gesetzlichen Grundlagen allerdings noch nicht. Es ist eine Fortsetzung des berühmten Messerstecher-Inserats, mit dem die SVP des Kantons Zürich Mitte der neunziger Jahre auf Stimmenfang gegangen ist. Das Inserat würde ich heute nicht mehr machen, obwohl es eines der besten Inserate war. Das ist ein Widerspruch: eines der besten, das man nicht mehr machen würde. Ich mache überhaupt keine Inserate mehr. Das ist klar. Aber Sie haben gesagt: Sie würden es nicht mehr machen. Weshalb? Weil die SVP heute die grösste Partei und vollwertige Regierungspartei ist. Damals war sie Oppositionspartei. Jetzt haben wir andere Möglichkeiten. Heute können wir dieselben Sachen als Verantwortliche aussprechen. Eine Oppositionspartei hat einen anderen Stil. Das muss und darf sie auch haben. Welche Rolle passt Ihnen besser? Als Oppositioneller erhielten Sie von Ihren Leuten im Albisgüetli mehr Applaus. Das ist verständlich. Ich habe heute die Politik des Bundesrates zu vertreten. Das ist die Kollegialität. Ich hätte als Oppositioneller im Albisgüetli vielleicht zwei, drei Dinge behandelt, die ich ausgeklammert habe. Das ist der Preis der Regierungsbeteiligung. Sie lieben Reizthemen. Auch in Ihrer Zeit in der Wirtschaft gingen Sie oft bis an die Grenze des Erlaubten. Sehen Sie sich vom Typ her selbst als Grenzgänger? Nein. Aber weshalb werde ich oft so gesehen? Vielleicht liegt es daran, dass es mir gelingt, mich nicht nur für etwas einzusetzen, das bereits alle andern tun. Da bin ich ja nicht notwendig. Zum Beispiel den Steuerstreit mit der EU, um ein aktuelles Beispiel zu nehmen. Da hören Sie von mir praktisch nichts, weil es alle tun. Ich mache die Dinge, für die sich niemand engagiert. Ich habe vor nichts eine so grosse Angst, als wenn alle blindlings einer Sache hinterherspringen. Wenn früher alle Direktoren meiner Firma sagten: «Das machen wir», dann habe ich ganz allein – als Advocatus Diaboli – das Gegenteil vertreten, selbst wenn ich gar nicht dieser Meinung war. Darum bin ich auch im Bundesrat immer auf einer kritischen Seite. Das meine ich nicht. So verhält man sich als kritischer Geist. Es geht mir darum zu wissen, ob Sie testen wollen, wo die Grenze des Erlaubten ist, wo man das Gesetz ritzt. Ich frage immer meine Juristen, ob ich zuständig bin. Ich sehe eine andere, grössere Gefahr in der Politik. Alle sagen immer: «Da bin ich nicht zuständig.» Wenn es heikel wird, dann ist niemand zuständig. Bei Ihnen ist es umgekehrt. Bei Ihnen hat man das Gefühl, dass Sie sogar das Grundprinzip der Gewaltentrennung zu opfern bereit sind, wenn Sie damit ein für Sie wichtiges Anliegen durchbringen können. Wenn das Bundesgericht einen Entscheid fällt, habe ich mich als Bundesrat daran zu halten. Aber das heisst nicht, dass man eine andere Gewalt nicht kritisieren darf. Es gibt auch das Prinzip der Gewaltenhemmung. Montesquieu, der grosse Schöpfer der Gewaltentrennung, hat auch das gefordert. Ich vertrete nicht die Meinung, dass man bei der Kritik an einer Staatsgewalt deren Würde verletzt. Das haben die Kaiser gefordert. Mit der Demokratie verträgt sich dies nicht. Ist es Ihnen eigentlich peinlich, dass Christoph Mörgeli in seiner Kolumne in der Weltwoche beinahe jede Woche auf Ihre Feinde einhaut und Sie blindlings verteidigt? Er hat nur ein Thema. Nein, nein, so ist es nicht. Ich lese seine Kolumnen mit Vergnügen. Das kann ich mir gut vorstellen. Er ist ein hervorragender Kolumnist. Ich lese auch die Kolumne von Herrn Bodenmann. Das ist immer das Gleiche. Immer für den EU-Beitritt. Flüstern Sie Mörgeli hie und da Themen zu? Nein. Ich habe mit ihm wenig Kontakt. Ich bin etwas einsam als Bundesrat. Was fehlt Christoph Mörgeli zu einem grossen Politiker, wie Sie es sind? Er ist jünger. Da weichen Sie aber massiv aus. Ich weiss nicht, ob er überhaupt ein Politiker sein will. Man musste ihn richtiggehend zwingen, auf die Nationalratsliste zu gehen. Er war zudem mein grösster Gegner, als ich Präsident der Zürcher SVP wurde. Heute ist er das Gegenteil. Ja, er hat sich bekehrt. Er hat wahrscheinlich gemerkt, dass er falsch gelegen ist. Als er gewählt wurde, hat er mir gesagt: «Jetzt habe ich den Dreck.» Er hat sich damals sogar geweigert, ein Foto für das Bild zu liefern, auf dem alle Kandidaten gezeigt wurden. Ist er nicht ein Hors-sol-Politiker? Alles aus dem Kopf und nichts aus dem Bauch. Er ist intellektuell brillant, und das ist kein Nachteil. Der Bauch gehört auch dazu. Weil ich weniger im Kopf habe, habe ich mehr im Bauch. Was ist Ihre stärkste Eigenschaft? Ihre Intelligenz, Ihr Fleiss oder Ihr Gespür? Ich bin eher ein intuitiver Mensch. Ich habe die meisten grossen, wichtigen Entscheide im Leben intuitiv getroffen. Ich habe sie schon intellektuell durchdacht. Am Schluss habe ich intuitiv entschieden oder – wenn Sie so wollen – aus dem Bauch. Gleichsam die Summe von Intelligenz, Fleiss und Gespür. Wie viele Prozente kostet es die SVP im Herbst, dass Sie Bundesrat sind? Ich glaube nichts. Ich halte es durchaus für möglich, dass sie nochmals zulegt. Aber sie könnte mehr zulegen, wenn Sie noch in Ihrer alten Rolle wären. Als ich Bundesrat wurde, sagten wir uns, dass wir wahrscheinlich als volle Regierungspartei weniger zulegen können. Aber wenn wir es gut im Bundesrat machen, spielt dies keine so grosse Rolle mehr, weil es eine noch grössere Partei nicht mehr so dringlich braucht. Bisher zeigen die kantonalen Resultate nicht dieses Ergebnis. Sie sind besser als erwartet. Was nützt der SVP am meisten? Wenn man Ihre Wiederwahl zum Hauptthema macht oder wenn das eher eine untergeordnete Rolle spielen wird? Die anderen haben es nun zum Thema gemacht. Ja, so wie es jetzt gemacht wird, nützt es der Partei. Dieses Blocher-Bashing durchschauen die Wähler. Das heisst, Sie müssen in den nächsten Monaten provozieren. So funktioniert ein Blocher. Nein, nein, so schlau ist er nun auch wieder nicht. Er ist schlauer als alle anderen zusammen. Ich habe nicht dazu beigetragen, dass man mich so angreift. Beim Asylgesetz haben die Gegner ein Eigentor geschossen: Sie haben verbreitet, dass Blocher ein schlimmer Mensch sei. Das Asylgesetz sei ein Blocher-Gesetz, darum müsse man es ablehnen. Resultat: 70 Prozent haben dafür gestimmt. Was muss ein Bundesrat tun, damit Sie ihm Respekt zollen? Ich habe Respekt vor allen Bundesräten, schon wegen des Amtes. Es geht ja nicht nur ums Amt. Auch um die Person. Wenn einer seine Sache gut macht, habe ich Respekt, auch wenn ich eine andere Meinung habe. Was ich nicht gerne habe, sind die charakterlichen Schwächen. Wenn sich einer immer um alles drückt. Wenn einer nur immer sich selbst sieht und bei allen Entscheiden abwägt, ob ihm dabei etwas Negatives passieren kann. Von wem sprechen Sie? Ich nenne keine Namen. Storm hat gesagt: «Der eine fragt: Was kommt danach? / Der andre fragt nur: Ist es recht? / Und also unterscheidet sich / Der Freie von dem Knecht.» Ich habe gerne Freie und nicht Knechte ihrer selbst in der Regierung. Wir kennen uns ja schon länger. Es gibt Leute im Bundesrat, über die sind Sie schon mit den unflätigsten Worten hergezogen. Früher, als ich noch nicht Bundesrat war, vielleicht. Ich vergöttere das Kollegialitätsprinzip nicht. Aber zwei Sachen sind von Bedeutung: Wenn einmal beschlossen wurde, dann hat man sich daran zu halten. Und zweitens bekämpfe ich Kollegen nicht in der Öffentlichkeit. Im Bundesrat, wenn es nötig ist. Sie sagen immer wieder: das Amt, das Amt. Das passt nicht so richtig zu Blocher, weil man bisher das Gefühl hatte, dass Blocher das sagt, was er denkt. Nun müssen Sie sich verbiegen. Denken kann ich immer noch. Das ist ein grosser Vorteil. Es stimmt, dass ich nicht mehr in allen Fragen sagen kann, was ich denke. Ist das ein Verlust für Sie, vielleicht sogar ein grosser? Es ist ein Verlust. Dafür habe ich andere Gewinne. Wenn die SVP die Wahlen gewinnt, ist es dann wahrscheinlicher, dass es zu Departementswechseln kommt? Dann hätten Sie mehr Chancen, sich in dieser Frage durchzusetzen. Wir haben das Anciennitätsprinzip, das heisst nach Amtsjahren, nicht gemäss dem Alter. Es ist kein Geheimnis, dass ich dieses Departement nicht gesucht habe. Ich hätte lieber die Finanzen gehabt. Gibt es eine Möglichkeit, dass Sie es nach den nächsten Wahlen bekommen? Wenn Herr Merz wieder antritt und die Finanzen will, ist es ausgeschlossen. Es ist nicht ganz so wichtig, welches Departement man führt. 50 Prozent meiner Zeit verwende ich für die anderen Geschäfte im Bundesrat. Weil Sie fleissiger sind als andere, sichern Sie sich Ihre Macht, indem Sie sie mit Ihren Mitberichten zudecken. Wenn der Bundesrat entscheidet, trage ich eine Mitverantwortung. Da muss ich diese Entscheide auch beeinflussen. Kann man seine Macht ausdehnen, indem man auf diese Weise in die anderen Bereiche aktiv hineinregiert? Man kann es so sehen. Ich habe einen Auftrag, im Bundesrat dafür zu sorgen, dass es gute Entscheide gibt. Wenn der Bundesrat einen Gesamtentscheid trifft, der falsch ist, und ich hätte nichts getan, hätte ich schlaflose Nächte. Am Anfang sagte man mir, es sei nicht üblich, viele Anträge zu stellen. Heute ist es courant normal. Die anderen machen es auch, und wir haben ein sehr gutes Arbeitsklima im Bundesrat, besser als früher. Damit werden Sie Primus inter Pares und langfristig so eine Art Premierminister. Nein, nein, ich habe keine besonders starke Stellung. Ich unterliege oft. Haben Sie eigentlich Glück, dass die Wirtschaft boomt, ohne dass die Regierung massgeblich dazu beigetragen hat? Da haben Sie völlig recht. Das ist das Glück der Politiker, dass die Leute ein sehr kurzes Gedächtnis haben und dass die Politiker alles, was positiv ist, an die eigene Fahne heften. Die positive Wirtschaftslage der Schweiz hat mit uns Politikern wenig zu tun. Für die schlechte waren die Politiker aber mitverantwortlich. Heute nimmt die Ausgabendisziplin ab, und die Rezension kommt so sicher wie das Amen in der Kirche, und dann wird man Steuern wieder erhöhen müssen. Es ist also kein guter Zustand. Sie haben keinen Computer. Sie können auch keinen Computer bedienen. Ist das Technologiefeindlichkeit oder Altersstarrsinn? Ich bin etwas verwöhnt. Ich habe schon direkt nach dem Studium eine Sekretärin gehabt. Ich musste nie auf der Schreibmaschine schreiben. Das kann ich auch nicht. Ich kann nicht einmal eine Rechenmaschine bedienen. Ich habe mein ganzes Leben mit Zahlen zu tun gehabt. Rechnete das Wichtigste im Kopf. Das ging nur, weil ich Leute hatte, die die Elektronik beherrschen. Ich bin nicht dagegen. Ich war der erste Politiker in der Schweiz, der eine eigene Homepage betrieb. Aber ich persönlich brauche diese Dinge nicht. Sie können gar nicht wissen, was Sie vermissen. Ich habe keinen Mangel festgestellt. Der Technologiestandort Schweiz hat einen Bundesrat, der nicht einmal eine Mail verschicken kann? Ist das nicht ein schlechtes Zeichen für die Jugend unseres Landes? Wenn die Tüchtigkeit daran gemessen wird, ob man eine Mail verschicken kann, dann haben Sie recht. Aber für Führungskräfte ist dies doch nicht massgebend. Für eine gute Sekretärin allerdings schon. Ich muss anderes können. Wie Sie wissen, habe ich auch keinen Fernseher. Ich habe nie Zeit verloren mit Fernsehsendungen. Vielleicht habe ich dadurch Lücken. Natürlich, wenn man gute Sekretärinnen hat, kann ich diese Dinge delegieren. Auch heute habe ich noch zusätzlich eine private Sekretärin für meine privaten Belange, für meine Kunstsammlung und meine private Post. Seit ich im Bundesrat bin, kann ich immerhin schon ein Handy bedienen! Noch nicht einmal dies konnte ich vorher. Heute muss ich 24 Stunden erreichbar sein. Ich kann jetzt eine SMS schicken und bin ganz stolz. Ich gratuliere. Weil ich es brauche, habe ich es gelernt. Trotzdem wissen Sie alles, was am Fernsehen läuft. Wie ist Ihre Überwachungstruppe organisiert? Als Bundesrat habe ich einen Informationsdienst. Der liefert mir bis elf Uhr auf maximal zweieinhalb Seiten, was in den vergangenen 24 Stunden gesendet und geschrieben wurde, was mein Departement betrifft. Und ich lese jeden Tag eine bis zwei Zeitungen. Das ist alles? Welche? Regelmässig die NZZ, nicht ganz regelmässig Le Temps, und wenn der Tages-Anzeiger hier herumliegt, lese ich den auch hie und da. Wenn er herumliegt... Ja. Er liegt noch häufig hier herum. Und dann lese ich relativ gut die Weltwoche. Das ist eine interessante Zeitung, weil sie einen Kurs hat, der den Problemen nachgeht, die sonst niemand abdeckt. Ich erfahre viel, auch als Bundesrat, wo ich sage, aha, das ist ja neu. Waren Sie je direkt oder indirekt an der Weltwoche beteiligt? Nein. Es war ein Glück, dass ich das nicht musste. Aber ich habe mich in dieser Sache bei anderen eingesetzt. Das ist eine besondere Zeitung. Die nützt auch der Wirtschaft. Die macht dieses kopflose Wirtschafts-Bashing nicht mit. Haben Sie einen Berater oder gar mehrere? Nein. Ich bin der einzige Bundesrat, der keinen persönlichen Berater hat. Kein Internet, ein oder zwei Zeitungen, kein Fernsehen, kein Berater – da hat man wirklich das Gefühl, dieser Mann ist unterinformiert. Ich hatte noch nie das Gefühl, ich sei nicht informiert. Man glaubt, Leute, die alles sehen und hören, seien informiert. Das ist gar nicht wahr. Wir haben eher zu viele Informationen. Man erfährt viel Nebensächliches, das man nicht einordnen kann. Es stimmt aber, dass ich mit der Beurteilung von Situationen etwas später komme als andere. Denken Sie auch hie und da daran, dass die Macht mental korrumpieren kann? Ich habe nicht das Gefühl, ich sei mächtig. Ich weiss nicht, ob ich zuvor nicht mehr Macht hatte. Ich suche Macht, soweit ich sie brauche, um das durchzusetzen, was ich muss. Sie sind mehrfacher Milliardär, Schlossherr, Besitzer einer der wichtigsten Kunstsammlungen des Landes, und jetzt sind Sie noch der erste Mann im Bundesrat. Ist das nicht eine unschweizerische Anhäufung von Macht? Nein, sonst wäre ich ja nicht Schweizer. Ich bin ein Schweizer durch und durch. Geht es nicht etwas zu weit, wenn man alles zusammennimmt? Was haben Sie dagegen: Ich habe mit nichts begonnen und niemandem etwas gestohlen. Berlusconi hat auch mit nichts begonnen. Das ist doch ein schönes Beispiel! Allein durch die Tüchtigkeit wurde das geschaffen. Das Unternehmen habe ich meinen Kindern übergeben. Die leben nicht in Saus und Braus. Sie wollen auch etwas tun – nämlich das Unternehmen erfolgreich führen. Sie hatten eine nette Starthilfe. Aber sie haben das Unternehmen auch teuer übernehmen müssen. Auf hohem erfolgreichem Niveau Erfolg haben, das ist auch Kunst. Mancher bekommt Geld und macht nichts damit. Geld haben ist keine Schande und reich werden auch nicht. Aber Geld verdummen und dabei arm werden, das ist es schon eher. Hodler und Anker sind quasi Nationalmaler der Schweiz, ein wichtiger Teil des Kulturgutes der Schweiz gehört Ihnen privat. Wann vermachen Sie Ihre Sammlung der Schweiz im Rahmen eines Blocher-Museums? Ich weiss nicht, ob ich das mache. Ich glaube, es steht der Öffentlichkeit zu, diese Bilder sehen zu können. Das nicht. Aber damit sich andere daran erfreuen können, gebe ich diese ja auch immer wieder in Ausstellungen. Für den Staat ist es eine grosse Belastung, wenn man ihm ein Museum mit Bildern schenkt. Sie würden es wohl auch schaffen, den Unterhalt zu übernehmen. Heute freue ich mich, jeden Tag die Bilder zu sehen. Wenn ich sie nicht hätte, hätte sie ein anderer.

26.02.2007

Jeder Markt hat eben einen anderen Preis

«Bundesrat Blocher ist gegen Parallelimporte von patentierten Gütern, um Eigentümer zu schützen. Über Managerlöhne sollen Aktionäre indirekt abstimmen können.» 26.02.2007, NZZ am Sonntag, Daniel Hug und Fritz Pfiffner Herr Bundesrat, Sie wollen mit der Reform des Aktienrechts die Rolle des Aktionärs stärken. Soll er künftig die Lohnpolitik eines Unternehmens abstimmen können? Christoph Blocher: Einerseits ist vorgesehen, dass die Statuten Grundsätze der Salärpolitik vorsehen können. Aber man muss aufpassen: Ich habe mir zum Beispiel die Grundsätze, die die Credit Suisse bekannt gegeben hat, angeschaut; doch das ist kaum verständlich. Der jetzige Aktienrechtsentwurf sieht zusätzlich vor: Wenn jedes Jahr die Bezüge neu bestimmt werden, muss auch jedes Jahr der Verwaltungsrat einzeln gewählt werden, unter Angabe der Bezüge. Dann hat man indirekt eine Möglichkeit, die Bezüge zu bestimmen. Das macht die ABB schon heute. Wenn die Bezüge für drei oder vier Jahre bestimmt werden, kann die Frist auch länger sein. Bis jetzt hat noch niemand einen besseren Vorschlag gebracht. Sie wollen auch das Depotstimmrecht der Banken streichen. Bleiben Sie dabei? Daran halten wir fest. Wir sagen nicht, wie viel die Firmenleitung verdienen soll. Das ist Sache der Gesellschaft. Aber die Aktionäre müssen die Möglichkeit haben, ihrem Willen Ausdruck geben zu können. Hier geht es um das Eigentum der Aktionäre, und wenn dieses Eigentum nicht mehr gewahrt ist, muss der Staat etwas machen, um es zu schützen. Wie im Patentrecht auch. Gibt es eine gesellschaftspolitische oder ethische Grenze für Löhne? Für den Erfolg in einer Firma ist die oberste Führung massgebend. Es gibt keine schlechten Firmen, nur schlechte Chefs. Nehmen Sie als Beispiel die ABB, als sie am Boden war. Dann holten sie mit Herrn Dormann von der Hoechst einen qualitativ guten Mann mit grossem Leistungsausweis. Mit seinem Finanzchef Voser und dem Management hat er die Firma in Ordnung gebracht. Wer hätte dies ebenso gut tun können? Darum spielt es nicht so eine grosse Rolle, wie hoch der Bonus für diese Leistung ist. Die Frage ist stets: Finden Sie einen Besseren für weniger Geld? Der oberste Chef ist der Stellvertreter des Eigentümers. Also gleichsam ein Unternehmer. Aber dem Unternehmer gehört eben nicht nur der Gewinn, sondern auch der Verlust. Diesen Verlust hat der Manager nicht, es bleibt ihm ja immer noch mindestens das Grundsalär. Aber all das sind unternehmerische Betrachtungen. Es ist nicht Sache des Staates, für eine Begrenzung zu sorgen; aber der Staat hat dafür zu sorgen, dass die Aktionärsdemokratie funktioniert. Weil der Staat das Privateigentum schützen muss. Novartis-Chef Vasella hat goldene Fallschirme, die ihm fünf Jahressaläre bei einem Verkauf der Firma zusichern. Ihre Meinung zu solchen Verträgen? Es ist nicht Aufgabe des Bundesrates, die Anstellungsbedingungen von Herrn Vasella zu bestimmen. Als Unternehmer würde ich dies wahrscheinlich ändern. Aber dazu muss Novartis Stellung nehmen. Wer hat den Managern diese Entschädigungen bewilligt? Die Salärkommission des Verwaltungsrats, den Vasella selber präsidiert. Wer ist der Eigentümer bei diesen Gesellschaften? Der Aktionär. Zugegeben, der Schutz des Eigentums bei den grossen Aktiengesellschaften funktioniert heute schlecht. Der Aktionär kann sein Eigentum zu wenig wahren, weil es pulverisiert ist. Es ist ähnlich wie in einem kommunistischen Staat: Da sind alle Miteigentümer des Staatseigentums, alles gehört allen. Aber der Bürger kann sein Eigentumsrecht nicht ausüben. Am Ende bleibt eine kleine Gruppe, die das Eigentumsrecht ausübt. Das liegt in der Natur der Sache. Darum müssen wir im Aktienrecht den Einfluss der Eigentümer stärken. Die Wirtschaft floriert, der Wohlstand steigt, aber nicht für alle gleich. Ist die Hochpreisinsel Schweiz ein Problem? Die Wirtschaft floriert - es profitieren alle. Die Arbeitslosigkeit ist klein, die Arbeitsplätze sind relativ sicher. Übrigens: Die Schweiz ist heute keine Hochpreisinsel mehr, das sage ich auch den Hoteliers. Bei den guten Hotels sind wir heute auch gegenüber vergleichbaren Ländern wie etwa England, Italien oder Deutschland preislich sehr gut. Das hat auch mit dem gestiegenen Euro zu tun. Der Bundesrat hat im November 2006 beschlossen, dass Produkte, die in der EU in Verkehr gebracht worden sind, künftig auch in der Schweiz zugelassen sein sollen, nach dem Cassis-de-Dijon-Prinzip. Bis Mitte März läuft die Vernehmlassung. Wie sind die Reaktionen? Erste Einwände kommen natürlich: Man hat in der Schweiz Sondernormen geschaffen, etwa zum Schutz der Gesundheit, der Umwelt, der Konsumenten und der Sicherheit. Viele Produkte, deren Sondernormen wegen des Schutzes der Gesundheit und der Umwelt geschaffen wurden, sind ja weitgehend ausgeklammert. Nun kommen Konsumenten und sagen: Wir haben Vorschriften zum Schutz der Konsumenten, wir möchten einen Schutz behalten. Denken Sie an die Lebensmittel, wo wir eine höhere Deklarationspflicht haben. Hier wird es Widerstand gegen die Liberalisierung geben. Wir müssen schliesslich entscheiden: Wollen wir den freien Handel oder die Sondervorschriften? Heute zahlen wir für identische Importgüter oft höhere Preise als im Ausland, weil viele Hersteller dem Händler den Verkaufspreis de facto weiter vorschreiben. Die Aufhebung dieser vertikalen Bindungen hatten Sie im Nationalrat mit "Diebstahl" und "schwerwiegende Einschränkung des Eigentums" kritisiert. Sehen Sie dies heute noch so? Ja, natürlich. Sie sind offenbar für die Enteignung des Privateigentums. Wenn ich ein Auto baue in Deutschland und in der Schweiz für einen bestimmten Preis verkaufe, mit dem ich mich im Wettbewerb durchsetze, ist es Enteignung, wenn der Staat den Preis reduziert. Jeder Markt hat einen anderen Preis. Ich war als Unternehmer in allen Ländern tätig, und wir hatten in allen Ländern einen unterschiedlichen Preis. Die Marktsituation, Bearbeitungskosten und Zugänge waren jeweils verschieden. Wenn jemand in einem Markt zum Beispiel seine Überschussproduktion verkauft, darf er doch vorschreiben, dass diese Ware nicht weiter in seine Märkte exportiert wird. Das Privateigentum ist die Säule der Privatwirtschaft. Im Autobereich hat man ja die vertikalen Bindungen verboten. Die Autos sind trotzdem nicht billiger geworden. Die grossen Preisunterschiede zu den Nachbarländern sind jedoch verschwunden. Die Drohung des Parallelimports hat gereicht. Wir hatten bei den Autos schon zuvor einen starken Wettbewerb. Wohl weil wir keine eigenen Autohersteller haben. Die Autohersteller haben mit Gegenmassnahmen reagiert: Sie lassen je nach Markt nicht mehr alle Typen zu und nehmen den Vertrieb zunehmend selbst in die Hand. Zu schützen ist auch die Freiheit des Unternehmers, die Produkte dort zu kaufen, wo sie günstig sind. Sonst subventionieren die Schweizer Konsumenten, welche höhere Preise zahlen müssen, die ausländischen Konsumenten. Kaufen können Sie, was und wo Sie wollen, aber nur, was auf dem Markt erhältlich ist. Ein Produkte-Inhaber hat ein eigenes Gut. Was damit geschehen soll, muss doch der Privateigentümer bestimmen können. Er muss selbst entscheiden können, dass er ein bestimmtes Produkt nicht in einem Land haben will. Der Produzent muss Eigentümer seines Produktes bleiben. Aber es steht Ihnen frei, ein Konkurrenzprodukt auch auf den Markt zu bringen - und erst noch billiger. Die Konkurrenz wird ein zu teures Produkt aus dem Markt werfen. Der Streit bei den Parallelimporten dreht sich heute vor allem um patentgeschützte Produkte. Wie sehen Sie hier die Situation? Das Patentrecht ist ein privates Eigentumsrecht: Wer ein patentiertes Gut verkauft auf einem Markt, kann sich dagegen wehren, dass andere gegen seinen Willen dieses Gut nachmachen, verkaufen oder in die Schweiz reexportieren. Ein Sonderfall sind patentgeschützte Medikamente: Sie unterliegen nicht nur dem Schutz des geistigen Eigentums, sondern zusätzlich einer staatlichen Preisbindung, was ein grosser Unfug ist. Für alle patentierten Güter sind in allen Industrieländern Parallelimporte verboten, wenn dies der Eigentümer verlangt - auch in der EU, wobei die EU diesbezüglich wie ein Staat auftritt … … bestehend aus 27 Ländern. Nach aussen aber ein einziger Staat, wie die USA - mit 50 Gliedstaaten - oder die Schweiz. Nicht nur die Konsumenten, auch die Landwirtschaft fordert die Zulassung von Parallelimporten, wie auch die Krankenkassen, die IG Detailhandel, die Hoteliers, der Tourismus, die Wettbewerbskommission... Eben alle nur, soweit sie Einkäufer sind, also Konsumenten. Nur für sich wollen sie die Zulassung von Parallelimporten, nicht etwa für die Produkte, die sie verkaufen. Ich habe noch nie gehört, dass die Landwirtschaft gesagt hat: Unsere Produkte sind jetzt frei und stehen in freier Konkurrenz. Es gibt viele Güter, die ein Schutzpatent haben: der Verschluss der Parfumflasche zum Beispiel … Wenn ein nicht wesentlicher Teil eines Produktes patentgeschützt ist, so soll dieses Produkt in Zukunft parallel importiert werden können. So steht es im neuen Patentgesetz, das nun in der Beratung ist. Velos, deren Bremsklötzchen patentiert sind, oder Parfumflaschen, deren Verschluss patentiert ist, können demnach parallel importiert werden. Das Gegenteil ist eben ein Missbrauch. Mit dem Patent wird auch geschützt, dass ein Hersteller sein Medikament in der Schweiz teurer als etwa in Italien verkaufen kann. Dann müssen Sie dem Schweizer Konsumenten erklären, warum er die tieferen Preise der Italiener subventionieren soll. Bei den Medikamenten haben Sie halt eine staatliche Preisbindung. Kämpfen Sie für die Abschaffung dieser Preisbindungen, dann wird es solche Unterschiede nicht mehr in diesem Ausmass geben. Sollen wir bei den patentgeschützten Gütern nicht wenigstens die europäische Erschöpfung zulassen, das Cassis-de-Dijon-Prinzip auch hier anwenden? Natürlich wäre das weniger schlimm als die internationale Erschöpfung, wo Parallelimporte aus den Entwicklungs- und auch Piratenländern möglich würden. Die Einführung der regionalen Erschöpfung durch die Schweiz ist kaum machbar. Zu diesem Schluss ist der Bundesrat gekommen. Wirtschaftlich taugt nur die nationale Erschöpfung. Alles andere schwächt den Forschungs- und Wirtschaftsstandort Schweiz. Es gibt stets Unterschiede zwischen den Ländern. Sie können auch sagen, es ist nicht recht, dass jemand in Deutschland mehr Steuern zahlen muss als in der Schweiz. Bezüglich der Parallelimporte der patentgeschützten Güter ist ein Auftrag an Ihr Departement gegangen, eine Vorlage auszuarbeiten. Wo stehen wir? Im April geht die Frage in die Vernehmlassung, ob wir nationale, regionale oder internationale Erschöpfung der Patente zulassen wollen. Wir werden die Vor- und Nachteile klar darlegen und aufzeigen, was dies bedeutet für die Schweiz. Bezüglich der Parallelimporte wird der Bundesrat bis Ende Jahr eine Vorlage ausarbeiten, die danach ins Parlament geht. Der Bundesrat ist bisher immer wieder zum selben Resultat gelangt: Nationale Erschöpfung ist am geeignetsten. Man darf den Parallelimport von patentierten Gütern nicht zulassen, wenn der Eigentümer dies nicht will.

04.02.2007

«Wir brauchen Prävention gegen Gewalt in den Schulen»

«Bundesrat Christoph Blocher über jugendliche Täter und die Rolle von Lehrern und Eltern» 04.02.2007, Sonntagszeitung, Christoph Lauener und Denis von Burg Herr Blocher, Bundesrat und Parteien wollen über Jugendgewalt sprechen. Ist das nötig, obwohl wir das Jugendstrafrecht bereits verschärft haben? Das Problem Jugendgewalt geht über das Strafrecht hinaus. Seit Dezember 2006 ist unter meinem Vorsitz mit den Ämtern Justiz, Migration und Polizei eine Arbeitsgruppe intensiv an der Arbeit. Mehrere Aussprachen sind erfolgt, so auch letzte Woche mit rund 30 Fachleuten, die sich in ihrer täglichen Arbeit mit Jugendgewalt befassen. Bei diesem und anderen Treffen wurde klar: Es besteht Handlungsbedarf. Die Jugendgewalt hat massiv zugenommen. Gibt es konkrete Zahlen? Es gibt Zahlen, soweit sich diese polizeilich erfassen lassen. Doch die Dunkelziffer ist relativ hoch. Einerseits stellt man fest, dass die Opfer sich aus Furcht vor Repressalien oft nicht getrauen, die Polizei einzuschalten. Andererseits bestehen namentlich in Schulen Hemmungen, die Polizei einzuschalten. Raufereien gab es immer. Das stimmt. Zugenommen hat nicht nur das Ausmass. Beängstigend ist, dass die Gewalt härter und brutaler geworden ist. Es wird auf Schwache eingeprügelt, auch wenn die Opfer bereits wehrlos am Boden liegen. Und es gibt immer mehr auch organisierte Gewalt durch Gruppen und Banden, die sich oft ad hoc zusammensetzen und aktiv werden. Was sind die Motive? Wir sind daran, das zu ergründen. Wir sollten das Problem nicht durch zu rasche Erklärungen relativieren. Grundsätzlich stellen wir fest, dass die Hemmschwelle bei Jungen stark gesunken ist; sie schlagen schneller zu. Dabei spielt zum Teil übertriebener Alkoholgenuss eine Rolle, aber auch die omnipräsenten Gewaltdarstellungen im Alltag. Die Ausländerfrage spielt mit hinein. Schweizer Kinder prügeln nicht? Doch, natürlich. Aber die Zahlen und die Erfahrungen der Fachleute sprechen ein klare Sprache: Auffallend hoch ist der Anteil von Tätern mit „Migrationshintergrund“. Und dort wieder vor allem aus dem Balkan. Das ist die übereinstimmende Aussage der Verantwortlichen. Sie sagen, junge Leute aus dem Balkan neigen grundsätzlich zu Gewalt. Das ist eine gefährliche Aussage. Das ist eine böswillige Unterstellung. Aber ihr Anteil ist überproportional. Dabei handelt sich vor allem um Jugendliche mit Identitätsproblemen. Das führt zu Unsicherheit und Minderwertigkeitsgefühlen. Vielleicht, weil diese Jugendliche zwei Kulturen in sich tragen. Die Unsicherheit wird dann durch Gewaltanwendung kompensiert. Wenn wir die Probleme lösen wollen, muss man sie ansprechen dürfen, ohne dass einem Rassismus vorgeworfen wird. Durch Verdrängen löst man keine Probleme. Wo sieht der Justizminister Lösungsmöglichkeiten? Warten wir damit noch etwas zu. Ein Missstand ist, dass die Strafverfolgung nicht immer effizient funktioniert. Es scheint nicht in erster Linie ein Problem der Gesetze zu sein, sondern des Vollzugs. Die Verfahren dauern zu lange, die angeordneten Sanktionen greifen oft zu kurz, die Koordination staatlicher Tätigkeiten ist mangelhaft. Die Folgen sind gravierend: Polizisten und andere Vollzugsleute sind frustriert, weil sie sehen, dass nichts passiert. Das lähmt die Arbeit. Resignation ist weit verbreitet. Auch bei Lehrern. Vielleicht sind die Strafverfolgungsbehörden überlastet. Wenn es so wäre, müsste man sie unterstützen. Tatsache ist aber, dass die Behörden zu wenig gut vernetzt sind; oft weiss die eine Behörde nicht, was die andere tut. Migrations-, Einbürgerungs- und Polizei-, Zivilstands- und Schulämter müssen besser zusammenarbeiten und gemeinsame Ziele haben. Beginnen die Probleme nicht schon viel früher? In der Kindheit? Damit schneiden Sie die Erziehung an. Es beginnt schon damit, dass nicht mehr feststeht, wer verantwortlich für die Erziehung ist. Ist es die Schule? Sind es die Eltern? Eltern haben begonnen, einen Teil der Erziehung an die Schule auszulagern – das überfordert die Lehrer. Man kann nicht verlangen, dass die Schule allein für die Erziehung verantwortlich ist. Fachleute sprechen von einer eigentlichen „Erziehungsverweigerung“ der Eltern. Bei aller Idealisierung der externen Kinderbetreuung: Die Eltern sind verantwortlich für das, was ihre Kinder tun. Sie sind auch in die Pflicht zu nehmen. Wenn ein Jugendlicher prügelt und zerstört, sollen also die Eltern büssen? Ja, denn sie haben die Verantwortung! Wie jeder Obhutspflichtige sollen auch Eltern zur Rechenschaft gezogen werden können: Mit Schadenersatzzahlungen, bei ausländischen Kindern bis hin zur Ausweisung der ganzen Familie. Die Schule bleibt aber wichtiger Wertevermittler. Was kann sie tun? Natürlich kann sich auch die Schule nicht aus der Erziehungsaufgabe abmelden. Die Lehrpersonen brauchen darin aber Unterstützung, was oft fehlt. In schweren Fällen hat die Schule mit der Polizei zusammenzuarbeiten. Lange Zeit hatten die Lehrer ein gestörtes Verhältnis zur Polizei; sie duldeten keine Polizei im Schulumfeld. Erste Versuche zeigen, dass wir Gewaltprävention auch in den Schulen brauchen: Erziehung zum gewaltfreien Zusammenleben auch an Schulen durch dafür ausgebildete Personen wie etwa Polizisten, ähnlich der Verkehrserziehung. Sollen Lehrer vermehrt auch die Polizei rufen, wenn sie überfordert sind? Ja. Passieren Straftaten auf den Pausenplätzen, muss die Schule die Polizei rufen: Verletzung von Regeln ist zu sanktionieren. Dort wo die Situation sehr problematisch ist, sind regelmässige Polizeipatrouillen sinnvoll. Sie geben viele Empfehlungen, aber eigentlich haben Sie als Justizminister keine Kompetenzen; die haben die Richter und Kantone. Das mag sein. Zunächst ist wichtig, dass die Probleme offen gelegt werden, das ist der Anfang der Problemlösung. Wir leiden heute unter den Spätfolgen antiautoritärer Erziehungsformen. Die Kinder spüren Grenzen und Schranken zu spät. Oft erst wenn sie am Rand der Kriminalität stehen.

04.02.2007

15 Jahre sind zu lang

Bundesrat Christoph Blocher über neue AKW und Bewilligungsverfahren 04.02.2007, Sonntagszeitung, Denis von Burg und Christoph Lauener Herr Blocher, Sie waren dafür verantwortlich, dass das AKW Kaiseraugst nicht gebaut wurde. Soll jetzt wieder ein Atomkraftwerk gebaut werden? Das soll nicht der Staat entscheiden. Strom wird von der Privatwirtschaft geliefert. Also soll die Wirtschaft auf der Basis der Marktsituation entscheiden, ob sie Gas- oder Atomkraftwerke oder beides bauen will. Aber der Staat soll ihnen die Möglichkeit geben. Obwohl die Energieversorgung von strategischer Bedeutung für das Land ist ? Vieles ist von strategischer Bedeutung! Die Lebensmittelversorgung, die Wohnungen, die Kreditversorgung etc. So auch die Energieversorgung. Dafür ist überall die Privatwirtschaft zuständig. Darum funktioniert es. Aber der Staat gibt die Rahmenbedingungen. Und die stimmen für die Atomkraft? Nein, es kann nicht sein, dass die Planung eines Atomkraftwerks wegen der Bewilligungsverfahren 15 Jahre oder mehr dauert. Das verhindert den Bau neuer AKWs zum vornherein. Das können wir uns nicht leisten. Wir müssen der Energiewirtschaft die Möglichkeiten geben, Stromerzeugungsanlagen bauen zu können, das gilt auch für die Kernenergie. Klar ist: Wir brauchen in Zukunft mehr Strom. Wir müssen es der Energiewirtschaft ermöglichen, neue Kraftwerke unter Einhaltung der Umweltvorschriften zu bauen. Sollen auch die CO2-Vorschriften für Gaskraftwerke gelockert werden ? Sie müssen gleich behandelt werden wie andere energieintensive Betriebe. Weiter möchte ich nicht darauf eingehen, bevor der Bundesrat beschlossen hat.

30.01.2007

Der Kampf gegen Fälschung und Piraterie: Geteilte Herausforderungen – gemeinsame Ziele

Eröffnungsrede von Bundesrat Christoph Blocher am Third Global Congress on Combating Counterfeiting and Piracy vom 30. Januar 2007, in Genf 30.01.2007, Genf Am Third Global Congress on Combating Counterfeiting and Piracy machte Bundesrat Christoph Blocher deutlich, wie wichtig internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen Fälschung und Piraterie ist. Diese stellten ein weltweites Problem dar und beträfen jeden Wirtschaftssektor. 1. Begrüssung Herr Generaldirektor, meine Damen und Herren, Sie haben als Tagungsort Genf gewählt. Genf ist nicht nur eine schweizerische Stadt mit internationaler Ausstrahlung, sondern auch der Sitz der Weltorganisation für Geistiges Eigentum. Es ist mir eine grosse Ehre, Sie im Namen der Schweizer Regierung zum Third Global Congress on Combating Counterfeiting and Piracy willkommen heissen zu dürfen. Das Interesse und die Teilnahme von Entscheidungsträgern aus allen Bereichen und allen Regionen der Welt zeigen: 2. Fälschung und Piraterie heute Fälschung und Piraterie sind ein Verbrechen mit Opfern. Die Opfer sind zahlreich: Unternehmen und Arbeitsplätze sind davon betroffen. Fälschungen und Piraterie sind Betrug und Diebstahl von Eigentum. Sie schaden! Aber auch die Volkswirtschaften sind betroffen. Nicht zuletzt aber die Konsumenten auf der ganzen Welt. Die Konsumenten erhalten ein qualitativ minderwertiges Produkt, das sogar ihre Sicherheit und Gesundheit gefährden kann. Betroffen ist heute jeder Sektor der Wirtschaft: Das bekommen nicht mehr nur die grossen Unternehmen zu spüren, denn auch die Produkte von innovativen kleinen und mittleren Unternehmen werden kopiert. Es gibt aber auch kaum mehr ein Land, das von dem Problem verschont bleibt. Fälschung und Piraterie kennt keine Landesgrenzen. Weite Teile des Handels mit Piraterieprodukten sind in den Händen gut organisierter Banden. Sie sind weltweit tätig und nutzen geschickt Handelswege und Kommunikationsmittel einer globalisierten Wirtschaft. Länder sind betroffen als Ursprungsland, als Absatzmarkt oder als Transitland. 3. Erfolg braucht Zusammenarbeit Meine Damen und Herren: Dieser Kongress steht unter dem Thema "Geteilte Herausforderungen, gemeinsame Ziele". Fälschung und Piraterie ist in der Tat eine Herausforderung für alle: Für die betroffenen Unternehmen, für Polizei- und Zollbehörden, für die Konsumenten, für die internationale Staatengemeinschaft. Dieser Herausforderung können wir nur gemeinsam begegnen. Ein wirksamer Kampf braucht deshalb Zusammenarbeit: * Zusammenarbeit zunächst unter den betroffenen Unternehmen und Branchen der Wirtschaft. * Zusammenarbeit ist aber auch nötig zwischen dem privaten und dem öffentlichen Sektor. * Schliesslich braucht es aber auch eine Zusammenarbeit über Landesgrenzen hinweg. Gefordert sind dabei zuerst die Gesetzgeber. * Es braucht weltweit einen hohen Standard für den Schutz von Geistigem Eigentum. Fälschungen sind Diebstahl Geistigen Eigentums. Dieser verursacht enorme Schäden – Schäden, die bei weitem nicht nur wirtschaftlicher Natur sind. Wenn Medikamente, Maschinen und Ersatzteile gefälscht werden, wird allzu oft auch die Gesundheit und Sicherheit von Menschen gefährdet. Doch die besten Gesetze nützen nichts, wenn die Durchsetzung des Rechts mangelhaft ist. Nötig ist deshalb auch eine internationale Zusammenarbeit zwischen den Rechtsverfolgungsbehörden. 4. Massnahmen in der Schweiz: Revision der Immaterialgüterrechtsgesetze Die Schweiz ist bestrebt, national wie international einen hohen Standard zum Schutz des Geistigen Eigentums vorzusehen. Zurzeit berät das Schweizer Parlament Vorschläge für eine Revision der Immaterialgüterrechtsgesetze. * Erstmals werden nicht nur Ein- und Ausfuhr von Piraterieprodukten, sondern auch der Transit erfasst. * Sodann werden die Kompetenzen des Zolls ausgeweitet. * Schliesslich sollen in der Schweiz auch die Strafen für eine gewerbsmässige Verletzung von Rechten des Geistigen Eigentums deutlich erhöht werden. 5. Massnahmen in der Schweiz: Public Private Partnership "STOP PIRACY" Ich habe es erwähnt: Gesetze allein genügen nicht. Deshalb haben sich Behörden und private Unternehmen in der Schweiz zu einer Public Private Partnership zusammengeschlossen. Ziel dieser Partnerschaft ist eine verbesserte Kooperation und Koordination zwischen Polizei, Zoll und anderen Behörden einerseits und den privaten Unternehmen anderseits. Vor zwei Wochen lancierten Staat und Privatwirtschaft auch eine Öffentlichkeitskampagne mit dem Titel "STOP PIRACY". 6. Schlusswort "Geteilte Herausforderungen, gemeinsame Ziele", weil Fälschung und Piraterie zu einem gemeinsamen Problem geworden sind. Deshalb sind internationale Foren wie der Global Congress on Combating Counterfeiting and Piracy wichtig. Nur wenn wir die Herausforderungen annehmen und sie gemeinsam beantworten, können wir auch die gemeinsamen Ziele erreichen. Für Ihr Engagement zugunsten der Bekämpfung von Fälschung und Piraterie danke ich Ihnen bestens!