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Elezioni
13.09.2002
09.09.2002
Sieben Fragen zu Goldinitiative und Solidaritätsstiftung
Interview mit der Zeitschrift Active Live (Ausgabe Nr. 9, September 2002) Frage 1 Die Konferenzen der Kantonsregierungen wie auch der kantonalen Finanzdirektoren unterstützen den Gegenvorschlag ("Drittelslösung"). Sie indes plädieren für ein Ja zur AHV-Goldinitiative. Ein Teil der SVP ist für ein doppeltes Nein. Stehen Sie, respektive ein Teil der SVP, mit Ihrem Ansinnen politisch nicht allein auf weiter Flur? Antwort Dr. Ch. Blocher Dass die kantonalen Finanzdirektoren bzw. deren Regierungen gern einen Drittel für sich hätten, versteht sich von selbst. Die schweizerische Delegiertenversammlung der SVP hat mit 344 zu 2 Stimmen die Ja-Parole für die AHV-Goldinitiative beschlossen. Worum geht es? Die Nationalbank hat entschieden, dass sie Gold-Reserven von ca. 20 Milliarden für Währungszwecke nicht mehr benötigt. Diese Reserven gehören dem Schweizer Volk. Der beste Weg, dies dem Schweizer Volk zurückzugeben, ist über die notleidende AHV. Ob wir damit auf weiter Flur allein stehen, werden wir sehen. Selbstverständlich gibt es zahlreiche Interessenclubs, die diese Initiative bekämpfen, weil natürlich jeder gerne das Geld für sich hätte. Frage 2 Mit der Goldinitiative werden den Kantonen, denen nach geltendem Recht zwei Drittel der Erträge aus den Goldreserven zustehen, diese Finanzbasis entzogen. Ist dies Demokratie? Antwort Dr. Ch. Blocher Es ist nicht richtig, dass gemäss geltendem Gesetz den Kantonen zwei Drittel der Erträge aus den nicht benötigten Goldreserven zustehen. Den Kantonen stehen nur 2/3 der Erträge aus den für Währungszwecke benötigten Reserven zu. Für nicht benötigte Goldreserven - um diese geht es hier - braucht es eine separate Verfassungs-Bestimmung. Die Kantone verlieren also keinen Rappen bei Annahme der Gold-Initiative. Es ist demokratisch, wenn das Volk darüber abstimmt, wie es mit seinen nicht benötigten Reserven - und nur darum geht es - umgehen will. Die gerechteste Art, das Gold dem Volk wieder zuzuführen, geschieht meines Erachtens über die AHV. So profitieren alle davon. Die Renten werden sicherer und die Lohnabzüge, sowie die Mehrwertsteuer müssen dadurch weniger erhöht werden. Wovor haben Sie Angst? Trauen Sie der Ausgabenpolitik der Kantone nicht? Antwort Dr. Ch. Blocher Ich verstehe Ihre Frage nicht? Sicherlich ist, dass das Geld nicht für Schuldentilgung, sondern für neue Ausgaben gebraucht würde, wenn es an Bund und Kantone fliesst, was wirtschaftlich schädlich ist. Und dazu leidet erst noch die AHV weiter. Frage 3 Überschüssiges Nationalbankgold darf nicht ins Ausland verschachert werden. Was meinen Sie damit? Die Drittelslösung wäre ja auch nur auf die Schweiz zugeschnitten. Oder doch nicht? Antwort Dr. Ch. Blocher Der Gegenvorschlag des Bundesrates sieht vor, dass von den nicht mehr benötigten Goldreserven 7 Milliarden - also rund ein Drittel - einer Solidaritätsstiftung zugewiesen wird. Diese Mittel sollen "ausgewogen im In- und Ausland" eingesetzt werden. Also ca. die Hälfte soll ins Ausland gehen. Und da dies den amerikanischen Kreisen, die uns wegen unserer Friedenspolitik zur Zeit des zweiten Weltkriegs erpresst haben, versprochen wurde, würden wir jedes Jahr um die Erträge erpresst werden. Das ist klar voraussehbar. Wenn das Volk der Goldinitiative zustimmt, dann ist dieser Erpresserei auch ein Ende gesetzt. Zumindest heisst es von Seiten des Bundesrates, Wiedergutmachungszahlungen seien ausgeschlossen. Antwort Dr. Ch. Blocher Der Stiftungszweck sieht vor, dass das Geld auch "zur Verhütung der Ursachen und zur Linderung der Folgen von Gewalt, Menschenrechtsverletzungen und Völkermord" gebraucht werden soll. Darunter lässt sich vieles, sehr vieles sumpsummieren, auch die damals vom Bundesrat versprochenen Zahlungen an die Holocaust-Opfer. Das sind dann Wiedergutmachungszahlungen, auch wenn man sie anders nennt. Frage 4 Die AHV hat substanzielle Finanzierungsprobleme. Wäre dies die Lösung? Antwort Dr. Ch. Blocher Das Problem der AHV ist tatsächlich die Finanzierung. Einerseits hängt das Funktionieren davon ab, ob die Wirtschaft floriert und genügend Lohnempfänger vorhanden sind, die die Beiträge zahlen und andrerseits hängt es von der Alterspyramide ab. Weil die Leute immer älter werden, ist die Finanzierung das Problem. Würden wir die Erträge - und es geht hier nur um die Erträge und nicht um das Aufbrauchen des Vermögens - für AHV-Rentner verwenden, so sind zusammen mit den übrigen heute bekannten Finanzierungen mindestens für die nächsten zehn Jahre keine Beitragserhöhungen notwendig, um die heutigen Renten zu sichern. Andernfalls müssen bereits in den nächsten Jahren Mehrwertsteuererhöhungen vorgenommen werden. Frage 5 Wie lang und in welcher Form könnte das Schweizervolk von der Goldinitiative profitieren? Ein Tropfen auf den heissen Stein? Antwort Dr. Ch. Blocher Das Schweizer Volk könnte ewig von dieser Goldinitiative profitieren. Denn es ist ja vorgesehen, dass entweder die ganzen Reserven in der Nationalbank bleiben und die Erträge jährlich in den AHV-Fonds ausgeschüttet werden, oder die ganzen Reserven werden in den AHV-Fonds überwiesen. Im AHV-Fonds ist vorgeschrieben, dass die Reserven in der Regel eine Jahreszahlung der Renten nicht unterschritten werden darf, d.h. heute ca. 27 Milliarden. Also auch in diesem Fall wäre es verboten, das Vermögen dieser einzuweisenden 20 Milliarden zu verbrauchen. Bei einem Ertrag von 5 % auf den 20 Milliarden bedeutet das jährlich 1 Milliarde. Das ist ungefähr die Hälfte eines Lohnprozentes oder die Hälfte eines Mehrwertsteuerprozentes für alle Zeiten. Das ist nicht nichts. Frage 6 Sie versprechen weniger Steuern, weniger Mehrwertsteuern und trotzdem eine sicherere AHV. Eine bestechende Lösung. Wo ist der Haken, dass nicht alle freudig auf dieses Schiff aufspringen? Antwort Dr. Ch. Blocher Das müssen Sie die andern fragen. Einerseits haben viele die Solidaritätsstiftung einfach versprochen, ohne zuerst das Volk zu fragen. Sie können leider nicht mehr zurück. Unterbinden kann dies nur noch die Mehrheit des Schweizer Volkes. Die Banken versprechen sich von dieser Solidaritätsstiftung, dass sie bezüglich Forderungen aus dem Ausland etwas abgedeckt werden. Darum haben die Banken auch einen wesentlichen Teil der Vorbereitungsarbeiten für diese Stiftung bezahlt. Es ist aber nicht Sache des Schweizer Volkes allfälliges Unrecht von Banken - welches über die Gerichte abzuklären wäre - mit ihrem Geld auszugleichen. Dass die Kantonsregierungen eher für den Gegenvorschlag sind, weil sie dann auch einen Teil davon bekommen, versteht sich von selbst. Frage 7 Die Goldinitiative hat vor allem für Otto-Normalverbraucher etwas verlockendes: Der Schritt hin zur sicheren AHV. Selbst Bundesrat und Finanzminister Villiger findet die Idee nicht abwegig. Er sieht aber die Unabhängigkeit der Nationalbank in Frage gestellt, weil Ihre Initiative die Höhe der überschüssigen Goldreserven nicht definiert. Antwort Dr. Ch. Blocher Die AHV kommt allen zu gut, nicht nur dem "Otto-Normalverbraucher". Aber die AHV ist die erste Säule. Wenn 20 Milliarden nicht benützt werden, gibt man es dort hin, wo die Not am grössten ist, also in die AHV. Ich weiss nicht warum die Unabhängigkeit der Nationalbank in Frage gestellt sein könnte. Es ist ein gesuchtes Argument. Denn wieviel Goldreserven die Nationalbank nicht benötigt, das bestimmt weiterhin, gemäss der heutigen Gesetzgebung, die Nationalbank. Die Goldinitiative ändert hier nichts!
05.09.2002
Geste oder Erpressung
Streitgespräch mit Peter Arbenz im FACTS Nr. 36/2002 vom 5. September 2002 Goldinitiative contra Gegenvorschlag: Christoph Blocher streitet mit Peter Arbenz, pro Solidaritätsstiftung, über die Verwendung der Goldreserven. Gesprächsleitung: Michael Gerber, Urs Zurlinden Herr Arbenz, was ist ein solidarischer Mensch? Peter Arbenz: Ein solidarischer Mensch kämpft für Gerechtigkeit. Für Ausgleich zwischen jenen, denen es weniger gut geht, und jenen, denen es besser geht. Ein solidarischer Mensch nimmt Anteil am Leiden anderer. Und er nimmt Rücksicht. Herr Blocher, fühlen Sie sich als solidarischer Mensch? Christoph Blocher: Solidarität ist ein hoher Begriff und heisst freiwilliges Einstehen für andere. In der Politik wird der Begriff Solidarität häufig missbraucht. Politiker halten sich oft für solidarisch, wenn sie Geld verteilen, das ihnen gar nicht gehört. Erklärt das Ihren Kampf gegen die Stiftung Solidarität Schweiz? Blocher: Auch. Solidarität basiert auf Freiwilligkeit. Man kann sie nicht von oben verordnen. Besonders stört mich, dass die Stiftung sieben Milliarden Franken erhalten soll, die dem Schweizer Volk gehören. Statt es dem Volk zurückzugeben, verteilt ein kleiner Stiftungsrat etwa 350 Millionen pro Jahr. Das macht 10,5 Milliarden in 30 Jahren. Mit Solidarität hat das nichts zu tun. Der Stiftungsname ist irreführend. Arbenz: Ganz im Gegenteil. Er bringt zum Ausdruck, dass wir Schweizer dieses Geld nicht einfach für uns behalten wollen, sondern Not leidende Menschen im Ausland auch daran teilhaben lassen wollen. Zudem wird die Stiftung nicht von oben verordnet, wie Sie behaupten, Herr Blocher. Und sie erhält auch nicht sieben Milliarden zur freien Verfügung, sondern lediglich die Zinsen davon. Am 22. September kann das Volk entscheiden, ob es die Stiftung will oder nicht. Von Zwang oder von Erpressung kann also keine Rede sein. Blocher: Sehr wohl. Und die Erpressungen werden weitergehen. Das Versprechen, das der damalige Bundespräsident Arnold Koller am 5. März 1997 im Parlament machte, ging um die Welt und macht uns erpressbar. Damals stand die Schweiz wegen der nachrichtenlosen Vermögen von amerikanischen Kreisen unter gewaltigem, erpresserischem Druck. Arbenz: Die Ankündigung der Stiftung war eine freiwillige Geste. Man darf die Stiftung nicht schlecht machen, weil die Idee dazu während der Debatte über die nachrichtenlosen Konten entstanden ist. Dieses zeitliche Zusammentreffen war purer Zufall. Die Verteilung des nicht mehr benötigten Goldes der Nationalbank war schon zuvor ein Thema. Blocher: Nein, Herr Arbenz, so war es nicht. Koller hielt seine Rede vor der Vereinigten Bundesversammlung unter dem Traktandum "nachrichtenlose Vermögen". Dabei versprach er, dass die Stiftung "selbstredend auch für Holocaust- und Schoa-Opfer" gedacht sei. Wenn wir nun die Stiftung gründen, werden diese amerikanischen Kreise ihren Anteil einfordern. Und uns im Notfall mit diesem Versprechen jedes Jahr erpressen. Arbenz: Davor habe ich keine Angst. Obwohl ich Erpressungsversuche nicht ausschliesse, wird die Stiftung die Gelder völlig unabhängig vergeben. Sie wird aber keine Individualhilfe für Holocaustopfer leisten. Das würde gegen das Stiftungsgesetz verstossen. Auch der World Jewish Congress, auf den Sie anspielen, Herr Blocher, wird von der Stiftung keinen Rappen sehen. Das hat der Bundesrat wiederholt betont. Blocher: Im Stiftungsgesetz steht schwarz auf weiss, dass die Gelder unter anderem "zur Linderung der Folgen von Genoziden verwendet werden können". Was ist das anderes als Vergangenheitsbewältigung? Arbenz: Die Stiftung ist zukunftsgerichtet. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass sie Geld zur Verhinderung von Völkermorden einsetzen wird. Doch das hat mit den Holocaustopfern nichts zu tun. Rund die Hälfte der jährlich 350 Millionen soll via Hilfswerke den Notleidenden zukommen. Sind die Hilfswerke tatsächlich in der Lage, von einem Jahr aufs andere 25 Prozent mehr Geld als bisher sinnvoll zu verteilen? Arbenz: Da sehe ich kein Problem. Es gibt im In- und Ausland unzählige, drängende Probleme, die nicht angepackt werden können, weil das Geld fehlt… Blocher: Ich zweifle keine Sekunde daran, dass das Geld ausgegeben würde. Doch fehlt es dann der AHV. Arbenz: Die Hilfswerke würden das Geld ja nicht einfach so erhalten. Sie müssten Projekte einreichen. Und erst nach einer genauen Prüfung würden die Gesuche bewilligt. Oder eben auch nicht. Wie viel davon peilt die von Ihnen präsidierte Helvetas an? Arbenz: Es ist völlig offen, wie viel wir allenfalls erhalten würden. Das hängt davon ab, welche Schwerpunkte der Stiftungsrat der Stiftung Solidarität Schweiz setzen wird. Die Gelder werden nicht nach dem Giesskannenprinzip verteilt. Das steht bereits heute fest. Blocher: Im Gegenteil. Die Stiftung wird zum Selbstbedienungsladen werden. Ihr Zweck ist im Gesetz dermassen schwammig umschrieben, dass alles und jedes finanziert werden kann. Von den Lese- und Schreibkursen für Analphabeten über Preisverleihungen und Integrationsprojekte bis zum Brunnenbau in Afrika. Was haben Sie gegen den Bau von Brunnen in Afrika? Blocher: Überhaupt nichts. Ich habe in Afrika ein Spital und eine Schule gestiftet. Es ist allen freigestellt, Entwicklungsprojekte auf privater Basis zu unterstützen. Die Schweiz zahlt Riesensummen für Entwicklungshilfe. Es ist unverantwortlich, in einer Zeit sieben Milliarden Franken vom Volksvermögen zu verteilen, in der die Leute um ihre Altersvorsorge bangen. Ich wehre mich dagegen, dass gerade die jungen Leute mit höheren Lohnabzügen und höheren Steuern für diese noble Geste büssen müssen. Was würden Sie mit den 1300 Tonnen Gold machen, wenn Sie in Eigenregie darüber bestimmen könnten? Blocher: Ich würde sie dem rechtmässigen Besitzer zurückgeben, dem Schweizer Volk, in bar oder als Goldvreneli. Leider wäre diese Geste kaum umzusetzen. Es gäbe Streit darüber, ob ein Säugling gleich viel erhalten soll wie ein Rentner. Einen solchen Verteilkampf umgehen wir, indem wir die 20 Milliarden der AHV zukommen lassen. Dank dem jährlichen Ertrag von gegen einer Milliarde Franken müssten junge Leute, Familien und Betagte weniger für die AHV abgeben. Das ist die gerechteste Lösung. Arbenz: Eine Scheinlösung. Saniert wäre die AHV damit noch lange nicht. Blocher: Die Goldinitiative löst zwar nicht alle Probleme der AHV. Alle Leute müssten aber weniger bezahlen. Arbenz: Mit dem Transfer des gesamten Goldes in den AHV-Fonds würde der Druck abnehmen, die AHV strukturell zu reformieren. Ausserdem würde damit das in der Verfassung verankerte Recht der Kantone auf zwei Drittel der Erträge der Nationalbank missachtet. Deshalb lehnen die Kantone auch Ihre Initiative ab und unterstützen stattdessen unseren Gegenvorschlag, der ihnen ein Drittel der Erträge aus dem Erlös des Goldverkaufs zusichert. Blocher: Es gibt keinen verfassungsmässigen Anspruch der Kantone auf das Gold. Arbenz: Doch. Den Kantonen stehen zwei Drittel des Gewinns der Nationalbank zu. Und solche Reserven sind letztlich nichts anderes als zurückbehaltene Gewinne. Blocher: Den Kantonen wird nichts weggenommen. Im Gegenteil. Sie werden reichlich bedient. Ab 2003 erhalten sie 650 Millionen mehr als bisher, da künftig zweieinhalb statt eineinhalb Milliarden Franken Gewinn pro Jahr ausgeschüttet werden. Arbenz: Sie kommen vom Thema ab, Herr Blocher. Die höhere Gewinnausschüttung der Nationalbank hat mit der Auflösung der Goldreserven nichts zu tun. Blocher: Sehr viel sogar. Die Finanzdirektoren erhalten zusätzliche 650 Millionen, damit keine neuen Reserven entstehen. Ich befürchte jedoch, dass sie damit wiederum die Ausgaben erhöhen statt die Schulden abbauen oder die Steuern senken würden. Welche Folgen hätte ein Nein zum Gegenvorschlag - und damit zur Solidaritäts-Stiftung? Arbenz: Mit einem Nein würde die einmalige Chance vertan, die nicht mehr benötigten Goldreserven der Nationalbank nachhaltig zu nutzen - die künftige Verwendung offen lassend. Zugleich würden wir eine günstige Gelegenheit verpassen, ein Zeichen der Solidarität zu setzen. Das würde im Ausland zur Kenntnis genommen. Und mit viel Häme kommentiert? Arbenz: Sicher bekäme damit das hartnäckige Vorurteil Auftrieb, wonach wir Schweizer in erster Linie für uns schauen, uns abschotten - und Not leidenden Menschen im Ausland nicht einmal ein Sechstel der Goldzinsen gönnen. Blocher: Damit versucht man zu drohen. Viele Länder bauen gegenwärtig ihre Goldreserven ab. Und kein einziges überführt einen Teil des Erlöses in eine solche Stiftung. Ich bin sicher, dass wir kaum Kritik, sondern Beifall ernten würden, weil wir dem erpresserischen Druck gewisser Kreise nicht nachgegeben haben.
31.08.2002
Zwei zanken um die gerechte Art, Gold zu verteilen
Streitgespräch mit Ständerätin Christine Beerli (FDP/BE) im "Bund" vom 31. August 2002 Was soll mit dem überschüssigen Nationalbankgold geschehen? Je ein Drittel der Erträge an AHV, Kantone und Solidaritätsstiftung? Das sei helvetisch ausgewogen, findet Christine Beerli (fdp). So bleibe das Vermögen auch real erhalten. Oder alles Gold für die AHV? Nur das sei verantwortungsvoll, findet Christoph Blocher (svp). Die Stiftung bleibt für ihn Produkt einer Erpressung. Gesprächsleitung: Patrick Feuz Frau Beerli, Sie loben den Gegenvorschlag «Gold für AHV, Kantone und Stiftung» als «echt schweizerisch». Ist Christoph Blochers Initiative, die alles unbenötigte Nationalbankgold der AHV geben will, unschweizerisch? Christine Beerli: Mit schweizerisch meine ich ausgewogen. Daneben ist der Gegenvorschlag vor allem auch nachhaltig. Er gewährleistet auf Verfassungsebene, dass der gesamte Erlös aus dem Verkauf der 1300 Tonnen Gold - es geht um 19 bis 20 Milliarden Franken - in einen Fonds gelegt wird und dort real, also teuerungsbereinigt, während 30 Jahren erhalten bleibt. Spätere Generationen haben wieder die Möglichkeit, frei über die Verwendung dieses Sondervermögens zu entscheiden. Christoph Blocher: Bei beiden Vorlagen bleibt das Vermögen erhalten. Beim Gegenvorschlag nur für 30 Jahre, bei der Goldinitiative für immer. Aber: Die Initiative will das Gold für die AHV nutzen, der Gegenvorschlag für vieles, unter anderem für eine erpresste Stiftung. Bei der Goldinitiative entscheidet dann der Gesetzgeber, ob das Gold im Eigentum der Nationalbank bleibt, oder durch einen Fonds verwaltet wird, oder ob es im Eigentum des AHV-Fonds verwaltet wird. In beiden Fällen fliessen nur die Erträge in die AHV. Beerli: Wenn das ganze Vermögen in den AHV-Fonds fliesst und die Mehrwertsteuer zugunsten der AHV nicht wie vom Parlament vorgesehen im Jahr 2008 erhöht werden soll, wird das Vermögen aufgebraucht. Und die Mehrwertsteuer muss anschliessend trotzdem erhöht werden. Blocher: Nein. Dank den Erträgen der 20 Milliarden muss die Mehrwertsteuer für die AHV mindestens 10 Jahre nicht erhöht werden und dann stets um rund eine Milliarde weniger, ohne dass das Vermögen verbraucht wird. Beerli: Ein weiterer Fehler der Initiative liegt darin, dass alle «nicht mehr benötigten Währungsreserven» in den AHV-Fonds fliessen sollen, also auch künftige. Damit wird die Frage der Währungsreserven mit dem emotionalen Thema der AHV-Finanzierung verknüpft. Das wird zu unzulässigem politischem Druck auf die Nationalbank führen. Der Gegenvorschlag hingegen spricht explizit von den 1300 Tonnen Gold, die aktuell zur Verfügung stehen. Blocher: Die Goldinitiative tastet die Unabhängigkeit der Nationalbank in keiner Weise an. Die Nationalbank entscheidet auch weiterhin allein, ob sie überschüssige Reserven hat und wie viel. Aber mit der Initiative können alle Schweizerinnen und Schweizer gerecht an diesem Volksvermögen teilhaben und müssen für die AHV jährlich nicht immer mehr bezahlen. Die Initiative verhindert, dass Politiker das Volksvermögen verschenken können. Herr Blocher, Sie spielen den Beschützer der populären AHV. In der laufenden AHV-Revision verweigert aber die SVP dem Sozialwerk dringend benötigte neue Mittel. Und einkommensschwachen Rentnerinnen und Rentnern will die SVP kein Geld geben, um sich die vorzeitige Pensionierung leisten zu können. Blocher: Die SVP will, dass die Renten finanziert werden können, und diese Mittel sind der AHV zur Verfügung zu stellen. Unter anderem mit der Goldinitiative. Die AHV steckt in Finanzschwierigkeiten, weil die Zahl der Rentner im Verhältnis zu den Beschäftigten grösser wird. Darum verbessert die Initiative die Situation. Höhere Leistungen wie etwa durch vorzeitige Pensionierungen sind aber auszuschliessen. Würde man dies tun, bleibt entweder für die übrigen Rentner weniger Geld, oder wir erhöhen die Lohnabzüge oder die Mehrwertsteuern. Schon nur um das heutige Leistungsniveau finanzieren zu können, braucht es in fünf Jahren eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, wenn die Goldinitiative nicht angenommen wird. Von der Initiative profitieren alle, Jung und Alt, weil sie weniger bezahlen müssen. Gerade in der heutigen unsicheren Zeit ist es verantwortungslos und unschweizerisch, das Vermögen nicht zum Nutzen des Volkes zu verwenden. Die Goldinitiative ist aber auch wichtig zur Erhaltung der Arbeitsplätze, weil Steuerniveau und Staatsquote weniger steigen als beim Gegenvorschlag. Die Initiative nimmt den Kantonen nichts weg. Kürzlich wurde beschlossen, die Ausschüttung der Nationalbankgewinne von jährlich 1,5 auf 2,5 Milliarden pro Jahr zu erhöhen, damit bis in 13 Jahren keine neuen unbenötigten Reserven entstehen. Die Kantone bekommen ab nächstem Jahr zusätzliche 650 Millionen. Hoffentlich geben sie es nicht einfach wieder aus. Beerli: Am 22. September geht es nicht um die ordentlichen Nationalbankgewinne, sondern um die unbenötigten Währungsreserven. Bei diesem Sondervermögen sollen die Kantone laut SVP leer ausgehen. Alle Kantonsregierungen und auch die kantonalen Finanzdirektoren sind für den Gegenvorschlag. Der Kanton Bern bekäme mit dem Gegenvorschlag 40 Millionen im Jahr. Die AHV ist unser wichtigstes Sozialwerk. Auch unsere Lösung will ihr einen Anteil geben. Aber auch der Föderalismus ist eine gute Sache. Deshalb müssen auch die Kantone etwas bekommen. Blocher: Wer sind die Kantone? Nicht die Regierungsräte und Finanzdirektoren, sondern die Leute, die in den Kantonen wohnen. Und das sind die Leute, die von der Goldinitiative profitieren. Dass die Regierungsräte und Finanzdirektoren einen Drittel der Golderträge wollen, ist klar. Sie werden das Geld weiter ausgeben und nicht Schulden abbauen oder Steuern senken, und die Leute müssen für die AHV dauernd mehr bezahlen. Beerli: Die meisten Kantone werden mit dem Geld Schulden abbauen. Ein finanzschwacher Kanton wie Bern wird um Steuererhöhungen herumkommen. Davon profitieren die Kantonsbürgerinnen und Kantonsbürger direkt. Herr Blocher sagt: zehn Jahre keine Erhöhung der Mehrwertsteuer für die AHV dank Goldinitiative. Frau Beerli, kommen Sie zum gleichen Resultat? Beerli: Ich schliesse aus Herrn Blochers Aussagen, dass auch er die Erträge in den AHV-Fonds legen will und nicht das Vermögen, wie dies laut Initiative möglich wäre. Herr Blocher rechnet mit einem Ertrag von jährlich einer Milliarde Franken. In dieser Rechnung werden nicht die teuerungsbereinigten Zinsen eingelegt, sondern Zinsen von fünf Prozent. Dadurch wird das Vermögen angeknabbert. Wir aber wollen die Zinsen minus die Teuerung einlegen und so das Vermögen real erhalten. Das ergibt einen jährlichen Ertrag von 600 Millionen Franken. Das entspricht 0,18 Mehrwertsteuer-Prozenten. Die SVP-Initiative kann also nicht einmal die im Jahr 2008 nötige und geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,5 Prozent verhindern. Zur langfristigen Sicherung der AHV braucht es nicht die SVP-Initiative, sondern strukturelle Reformen, die wir mit der 11. AHV-Revision angehen. Wie gesagt: Die AHV ist unser wichtigstes Sozialwerk. Blocher: Das können Sie beweisen, indem Sie das Volksvermögen für die AHV nutzen. Wenn jemand erklärt, der Ertrag von 20 Milliarden Franken sei nichts und mache bei der AHV keinen Unterschied, kann er nicht mit Geld umgehen. Mit dieser Mentalität hat man es im Bundeshaus fertig gebracht, einen Schuldenberg von 100 Milliarden Franken anwachsen zu lassen. Ihre Partei, die FDP, stand dabei im Vordergrund, zuletzt bei den Krediten für Expo und Swissair. Immer hat es geheissen: Das ist doch nicht viel Geld. Beerli: Ich unterschätze den Ertrag der 20 Milliarden nicht. Es ist viel Geld, und es ist Volksvermögen. Wir haben die Verantwortung, dieses Geld sinnvoll, ausgewogen und nachhaltig einzusetzen. Das tun wir. Am Anfang des Goldstreits war die Solidaritätsstiftung. Frau Beerli, warum braucht es die Stiftung? Beerli: Die Stiftung will die humanitäre Tradition der Schweiz wiederbeleben und stärken. Die Schweiz hat hier in der Vergangenheit viel getan, etwa mit dem Roten Kreuz, einem grossen Werk mit Glanz gegen aussen, das zum guten Ruf unseres Landes beigetragen hat. Das Rote Kreuz hat immer auch gezeigt, dass die Schweizerinnen und Schweizer am Zusammenleben von reicheren und ärmeren Menschen gearbeitet haben, von Menschen, die vom Schicksal privilegiert sind, und solchen, denen es schlechter ergeht. So etwas möchten wir wieder schaffen. Es soll ein zukunftsgerichtetes Werk sein, das auch jüngeren Leuten helfen soll, die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Die Stiftungsidee ist im Zusammenhang mit der Diskussion um nachrichtenlose Vermögen entstanden. Das ist eine Hypothek, weil die Gegner behaupten, die Stiftung sei ein Werk der Erpressung. Das kann sie aber schon deshalb nicht sein, weil wir jetzt völlig unbeeinflusst von aussen abstimmen können, ob wir die Stiftung wollen oder nicht. Im Übrigen schliesst das Stiftungsgesetz Zahlungen an Holocaust-Opfer aus. Blocher: Das Rote Kreuz ist keine staatliche Institution. Es war eine rein private Initiative. Henry Dunant wollte die Not von Kriegsopfern lindern. Das war ein guter Beweggrund. Deshalb hat das Rote Kreuz überdauert. Die Stiftung ist 1997 unter grösstem Druck aus dem Ausland entstanden, sie wurde erpresst. Bundespräsident Arnold Koller sagte damals vor der Bundesversammlung, von der Stiftung könnten «selbstredend auch Shoa- und Holocaustopfer» profitieren. Das Stiftungsgesetz ist so schwammig formuliert, dass alles möglich ist. Die Stiftung ist ein Selbstbedienungs-Laden. Zudem werden wir jedes Jahr unter Druck geraten seitens jener Kreise, die sich an das Versprechen Kollers erinnern können. Beerli: Noch einmal: Das Stiftungsgesetz schliesst Ansprüche auf Einzelleistungen aus. Die Stiftung wird Projekte von öffentlichen und privaten Institutionen finanzieren. Ein Stiftungsrat aus Schweizerinnen und Schweizern wird die Gesuche beurteilen. Die Mehrheit der Mitglieder soll unter 40 Jahren sein. Auch das zeigt, dass die Stiftung zukunftsgerichtet ist. Wo soll die Stiftung konkret helfen? Beerli: Als Präsidentin der Pro Juventute weiss ich etwa, dass es viele Projekte zugunsten Not leidender oder misshandelter Kinder gibt, aber das Geld fehlt, weil es sich um keine Staatsaufgabe handelt. Das Nottelefon 147 wird von Tausenden von Kindern benutzt. Die Kosten sind viel höher als die jährliche Bundessubvention. Angesichts der steigenden Misshandlungsrate wäre auch ein Nottelefon für überforderte Eltern sehr sinnvoll. Herr Blocher, was haben Sie gegen ein Nottelefon für überforderte Eltern? Blocher: Es gibt tausend Dinge, die schön wären. Das sind aber alles neue Staatsaufgaben... Beerli: ...eben gerade nicht, die Stiftung braucht kein Steuergeld. Blocher: Das Geld, das in die Stiftung geht, fehlt in der AHV. Die Bürgerinnen und Bürger müssen deswegen jedes Jahr 350 Millionen mehr bezahlen, wenn diese Stiftung errichtet wird. Falls es am 22. September ein doppeltes Nein gibt: Für welche Goldverwendung werden Sie sich danach einsetzen? Beerli: Dann sollen die Erträge zu einem Drittel an den Bund und zu zwei Dritteln an die Kantone gehen, analog dem Verteilschlüssel für die ordentlichen Nationalbank-Gewinne. Aber diese Lösung war bis anhin nicht mehrheitsfähig und wird es auch in Zukunft nicht sein. Nach einem doppelten Nein wird das Gerangel erneut beginnen, und es besteht die Gefahr, dass das Vermögen schlussendlich doch noch aufgebraucht wird. Blocher: Nach einem doppelten Nein ist die unglückliche Stiftung vom Tisch. Natürlich können wir dann auch nicht mehr alles Gold der AHV geben. Die SVP wird sich dann für zwei Drittel an die AHV und einen Drittel an die Kantone einsetzen, was wohl die SP unterstützen wird. Worum es geht paf. Am 22. September wird über die Goldinitiative der SVP und den Gegenvorschlag von Bundesrat und Parlament abgestimmt. Beide Vorlagen brauchen ein Volks- und Ständemehr. Aber eigentlich stehen vier Vorschläge zur Debatte: SVP-Initiative: Sie will alle unbenötigten Währungsreserven, also auch künftige, der AHV zukommen lassen. Die Initiative lässt offen, ob die Reserven oder deren Erträge in den AHV-Fonds kommen. Gegenvorschlag: Er will die Erträge aus der Bewirtschaftung des überschüssigen Goldes zu je einem Drittel auf AHV, Kantone und Solidaritätsstiftung verteilen. Gerechnet wird mit Erträgen von jährlich 600 Millionen Franken. Der Gegenvorschlag bezieht sich auf die aktuell zur Verfügung stehenden 1300 Goldtonnen im Wert von 20 Milliarden. Der Verteilschlüssel ist 30 Jahre gültig. Zweimal Ja: Gewerkschaftskreise werben für ein doppeltes Ja. In diesem Fall bringt die Stichfrage die Entscheidung. Zweimal Nein: Ein FDP-dominiertes Komitee empfiehlt ein doppeltes Nein. In der Hoffnung, dass die unbenötigten Reserven dann zu einem Drittel an den Bund und zu zwei Dritteln an die Kantone gehen, analog den ordentlichen Nationalbankgewinnen.
30.08.2002