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Immigrazione

24.04.2008

Es gibt kein Recht auf Einbürgerung

Interview in der „REGION“ vom 24. April 2008 Von Alex Piazza Gestern Bundesrat, heute Parteistratege. Christoph Blocher fühlt sich wohl in seiner neuen Rolle als Oppositionsführer. Vor seinem Auftritt in Emmen sprach er mit der REGION (Alex Piazza) über die Einbürgerungsinitiative. Christoph Blocher, seit Ihrer Abwahl aus dem Bundesrat ist es ruhig geworden um Ihre Person. Was haben Sie in der Zwischenzeit getan? Christoph Blocher: Zuerst habe ich mal Ferien gemacht. Plötzlich vier Wochen weiss im Kalender: das habe ich bisher noch nie erlebt. Ich war mit meiner Frau auf Wandertour in Südamerika. Bis Sommer arbeite ich voll und ganz für die Partei. Als Vizepräsident der SVP Schweiz leite ich das Ressort Strategie, und bin für die Kampagnen zuständig. Es ist gut möglich, dass ich nach den Sommerferien zusätzlich etwas in der Wirtschaft tue. Ich bin ja Unternehmer. Gibt es etwas, das Sie an Ihrem Bundesratsamt vermissen? Es kommt mir gerade nichts in den Sinn. Statt direkt auf die Verwaltung Einfluss zu nehmen, bringe ich meine Themen nun über die Partei und das Volk ein. Und das Volk ist bekanntlich der Souverän. An zweiter Stelle kommt das Parlament, an dritter der Bundesrat. So gesehen bin ich von der dritten Hierarchiestufe auf die erste geklettert. Am 1. Juni entscheidet das Schweizer Stimmvolk über die Einbürgerungsinitiative der SVP: Wollen Sie die Urnenabstimmung wieder aufs Tapet bringen? Darum geht es nicht. Die Initiative verlangt einzig und allein, dass jede Gemeinde wieder selber entscheiden kann, wer und wie eingebürgert wird. Und dieser Entscheid ist dann definitiv. So wie das in der Schweiz 150 Jahre lang galt. Die Einwohner einer Gemeinde können am besten beurteilen, ob sich ein Gesuchsteller in das Gemeindeleben integriert hat oder nicht. Besser jedenfalls als die Bundesrichter. Einbürgerungen dürfen nicht zu einem Verwaltungsakt mit Rekursrecht degradiert werden. Auch einen ablehnenden Entscheid hat ein Ausländer zu akzeptieren. Dürfen sie willkürlich erfolgen? Einbürgerungen sind ein politischer Akt, vergleichbar mit einer Wahl in ein politisches Amt. Da käme auch niemandem in den Sinn, einen Volksentscheid vor dem Gericht anzufechten. Es gibt kein Recht auf Einbürgerung. Die Einbürgerung ist die Folge der Integration, nicht ihr erster Schritt. Die Gegner der Initiative behaupten, sie verstosse gegen geltendes Völkerrecht. Wenn die Initiative gegen das Völkerrecht verstossen würde, frage ich mich, warum diese Gegner während 150 Jahren nichts daran geändert haben. Man kam nicht einmal auf diese Idee, als vor einigen Jahren die Bundesverfassung revidiert wurde. Nein, unsere bewährte Einbürgerungspraxis ist nicht völkerrechtswidrig. Ist es denn gerecht, dass Gesuchsteller aus Italien problemlos eingebürgert werden, während solche aus dem Balkan regelmässig abblitzen? Von Regelmässigkeit kann man nicht sprechen. Aber es kann vorkommen. Es ist jedoch legitim, dass man bei einer Volksgruppe, mit der man negative Erfahrungen gemacht hat, etwas vorsichtiger ist beim Einbürgern. Das ist nicht diskriminierend. Schliesslich haben die Abgewiesenen die Möglichkeit, die Einbürgerung zu einem späteren Zeitpunkt nochmals zu beantragen. In Ihrer Abstimmungspropaganda warnen Sie vor Masseneinbürgerungen. Wieso eigentlich? Seit dem Bundesgerichtsurteil von 2003 ist die Anzahl Einbürgerungen zwar weiter angestiegen, aber nicht exponentiell. Erste Anzeichen sind klar vorhanden. Und das wird noch zunehmen, sobald alle Gemeinden ihr Verfahren angepasst haben und die Rekurrierenden auf den Geschmack gekommen sind. Wenn wir jetzt nicht Gegensteuer geben, wird in Zukunft jeder abgewiesene Ausländer Einspruch erheben können. Um nicht ständig vor dem Richter antraben zu müssen, werden die Gemeindebehörden automatisch den Weg des geringsten Widerstands gehen und im Zweifelsfall einbürgern. Mit der neuen Gerichtspraxis wird die Einbürgerung erleichtert, nicht erschwert. Und dies obwohl das Schweizer Volk an der Urne bereits dreimal jegliche Form der erleichterten Einbürgerung abgelehnt hat. Nächste Woche referieren Sie in Emmen über die Einbürgerungsinitiative. Welches Verfahren ist für Emmen das beste? Das müssen die Emmer entscheiden. Wird die Initiative angenommen, können die Emmer ihr Einbürgerungsverfahren wieder selber festlegen. Wenn sie eine Bürgerrechtskommission vorziehen, dann gilt dieses Verfahren, und sonst halt ein anderes. In jedem Fall ist der Entscheid aber abschliessend. Meine persönliche Meinung: Je grösser eine Gemeinde ist, desto kritischer wird es mit der Urnenabstimmung. Rechnen Sie am 1. Juni mit aktiver Unterstützung aus CVP- und FDP-Kreisen? Innerlich stehen mit Sicherheit viele CVPler und FDPler hinter der Einbürgerungsinitiative – gerade in der Zentralschweiz. Die Frage ist nur, ob sie es wagen, aktiv dafür zu werben. Wir erhalten aber auch Unterstützung aus dem Gewerbe. Gerade letzte Woche hat die Gewerbekammer des Kantons Luzern einstimmig die Ja-Parole zur Einbürgerungsinitiative beschlossen. Und das sind weiss Gott nicht alles SVPler. Wer mit uns kämpft, gehört am Schluss ebenfalls zu den Siegern. Sie rechnen also damit, dass die Initiative angenommen wird? Davon bin ich überzeugt. Das Stimmvolk beschäftigt die zu large Einbürgerungspolitik. Dass die SVP hier viel Vertrauen geniesst, erkennt man nicht zuletzt am Wahlergebnis bei der Bürgerrechtskommission in Emmen, wo die SVP am Wochenende vier von neun Sitzen eroberte

02.03.2008

Wir müssen Schengen und Dublin kündigen

Interview mit «20minuten (online)» vom 2. März 2011 Arabische Flüchtlinge strömen nach Europa. In zwei Wochen sollen sie die Schweiz erreichen. Ist der Bund dafür gewappnet? Christoph Blocher: Diesen Eindruck habe ich nicht. Das Wichtigste wäre jetzt, Wirtschaftsflüchtlinge aus Nordafrika sofort zurückzuschicken, und die strikte Grenzkontrolle vorzubereiten. So kann man aufzeigen, dass es in der Schweiz nur Platz für echte Flüchtlinge gibt. Justizministerin Simonetta Sommaruga hat die Situation aber offenbar nicht im Griff. Das grösste Problem sind ihre falschen Signale, welche sie und ihre Ämter aussenden. Nämlich? Beispielsweise verlautet, die Menschen aus Nordafrika könnten zwar nicht aufgenommen werden, um hier zu arbeiten, aber man könnte diese ausbilden. Die Länder würden sich dann verpflichten, diese Menschen nach der Ausbildung wieder zurückzunehmen. Welche Illusion! Was gefällt Ihnen daran nicht? Es sind Einladungen an die Schlepper, die jungen Männer in die Schweiz zu bringen und es wird nicht funktionieren! Einmal in der Schweiz, wollen diese nicht mehr zurück. Schliesslich haben sie ja dann eine Ausbildung für die Schweiz, nicht für Ägypten. Gerade jetzt bräuchte es diese Männer aber für den Aufbau in ihren Heimatländern. Schliesslich kann man in Tunesien und Ägypten durchaus wirtschaftlich tätig sein. Was ist mit Libyen? Bei Libyen wissen wir noch nicht, wie es ausgehen wird. Wenn Gaddafi gestürzt wird, dann gälte für Libyer der gleiche Grundsatz. Dann würde ja niemand mehr verfolgt. Im Moment müssen wir vielleicht Libyer vorübergehend aufnehmen, so wie wir es in Kriegszeiten z. Bsp. mit der Bourbaki-Armee (zeigt auf ein Bild von Edouard Castres an der Wand) getan haben. Die haben wir in der Schweiz auch aufgenommen – aber nicht als Flüchtlinge. Nach dem Krieg mussten die alle wieder zurück. Auf solche Situationen muss man vorbereitet sein. Ist die Schweiz das? Als ich für das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) zuständig war, habe ich für solche Situationen vorsorgliche Szenarien ausarbeiten lassen. Was machen wir, wenn plötzlich 20 000 Menschen kämen. Was bei 30 000, 50 000 oder 100 000? Jetzt habe ich gelesen, diese Szenarien seien veraltet. Kein Wunder, ich hatte die Szenarien 2005 machen lassen. Dann muss man sie halt aktualisieren. Für solche Katastrophenfälle muss der Bundesrat und die Armee vorbereitet sein. Wie viele Menschen könnte die Schweiz im Notfall aufnehmen? Die Zahl ist abhängig vom Komfort der Unterkünfte. Mit den bestehenden Infrastrukturen wäre die Aufnahme von zusätzlich zwischen 15 000 bis 20 000 Menschen gut möglich. Allerdings sprechen wir hier von einem extremen Notfall. Ein solcher liegt im Moment nicht vor. Jetzt stehen der Schutz der Grenze und die strikte Rückweisung der Wirtschaftsflüchtlinge im Vordergrund. Schon in zwei Wochen dürften aber genau solche hier sein. Was würden Sie tun, wenn sie noch Justizminister wären? Als erstes muss man wieder einen Grenzschutz aufziehen. Auch mit Schengen sind wir in ausserordentlichen Situationen dazu berechtigt, vor allem weil Schengen/Dublin nicht funktioniert. Das hätte bereits eine hemmende Wirkung. Zudem müssen Asylgesuche von Menschen aus Nordafrika prioritär behandelt werden. Junge Männer, die keinen Asylanspruch haben, sollten innert kürzester Zeit zurückgeschickt werden. Das würde dem Geschäft der Schlepperbanden schaden. Innert zweier Wochen? Bei einer Beschwerde gegen einen negativen Asylentscheid können Asylbewerber zwei Jahre in der Schweiz bleiben. D as muss nicht sein. Notfalls muss der Bundesrat mit Dringlichkeitsrecht arbeiten. Weshalb muss sich die Schweiz überhaupt auf einen Flüchtlingsansturm vorbereiten? Dank dem Dublin-Abkommen können ja sämtliche Asylsuchenden an das Land überstellt werden, in welchem sie den Schengen-Raum betreten haben. Schengen und Dublin funktionieren nicht und haben nie funktioniert. Das ist ein schönes Modell auf dem Papier. Aber im Leben funktioniert es nicht. Das sieht man gut in Griechenland, wohin Wirtschaftsflüchtlinge nicht mehr zurückgeschickt werden dürfen. Weil die jungen Afrikaner dies alles wissen kommen jetzt fast alle über Griechenland nach Europa. Oder über Italien. Genau. Italien sieht sich sowieso mehr als Transitland, denn als Asylland. Als ich noch Bundesrat war, hat mir das der italienische Justizminister unter vier Augen explizit so gesagt. Schengen war damals zwar noch nicht in Kraft, da konnte er das noch offen sagen. Am Standpunkt der Italiener hat sich aber auch mit Schengen nichts geändert. Sie nehmen pro Woche wenige  Asylsuchende auf und die anderen registrieren sie einfach nicht. Deshalb ziehen diese weiter in den Norden. Z. Bsp. in die Schweiz, wo sie registriert werden und dann meist bleiben. Dann sind die Italiener keine verlässlichen Partner? Wir müssen uns nichts vormachen: andere Länder, andere Sitten. Was ist also ihre Konsequenz? Wir müssen Schengen und Dublin kündigen. Dann könnten wir sofort wieder autonome Grenzkontrollen machen und Wirtschaftsflüchtlinge an der Grenze abweisen. Wirtschaftsflüchtlinge gab es in der Schweiz schon vor Schengen. Aber nicht so viele. Da können Sie jeden Polizisten fragen. Das wirkt sich auch auf die Kriminalität aus. Zudem: Die Schweiz muss seit Dublin mehr Asylsuchende als Erststaat zurücknehmen als dass sie als Zweitstaat abgibt. Das ist absurd. Wenn Sie die Situation in Bern anschauen. Müssen Sie nicht wieder als Parlamentarier ins Bundeshaus? Es gibt Argumente dafür und dagegen. Aber das entscheide ich erst Ende April, wenn die Zürcher Kantonsratswahlen vorbei sind. Denn wenn ich kandidiere, dann in meinem Wohnkanton Zürich. Was spricht dagegen? Ich muss wieder von vorne an fangen. Wenn ich an die vielen unnötigen  Sitzungen denke, an die ich gehen müsste. Die Bundesversammlung wird ja immer mehr zu einem Berufsparlament. Kommen Sie in Versuchung, das Leben geruhsamer anzugehen? Natürlich. Ich werde 71 Jahre alt. Wenn ich kandidiere, muss ich vier Jahre voll aktiv sein. Da stellt sich die Frage, ob ich dafür die Kraft habe, um die grosse Erfahrung einzubringen. Ihre Partei hat eine klare Meinung. Weil ich seit Jahrzehnten in der Politik bin, will man die enorme Erfahrung nützen. Sie wären auch ein ideales Zugpferd für den Kampf um einen Zürcher Ständeratssitz. Wir müssen uns keine Illusionen machen. Im Kanton Zürich einen Ständeratssitz zu erobern wird sehr schwierig für eine Partei wie die SVP, die in den EU- und Ausländerfragen von allen anderen bekämpft wird. Sie rechnen sich schlechte Chancen aus für eine Ständeratskandidatur? Der wichtige Entschied ist, ob die SVP kandidiert. Ob die SVP dann gewinnt, ist zweitrangig. Sie können laut Gerüchten auch über Medien die Fäden ziehen. Das wäre schön. An welchen Medien sind Sie finanziell beteiligt? An keinem. Vertritt die Weltwoche nicht die SVP-Linie? Das ist ein wichtiges Medium, weil es einen Gegentrend zum Mainstream setzt. Es ist gut, dass die Weltwoche Themen bringt, die der journalistische Mainstream unterdrückt. Hie und da scheut sie sich nicht, auch die Themen der SVP zu behandeln, obwohl der Mainstream gegen uns ist. Ich bin überzeugt, dass wenn der Mainstream in unsere Richtung laufen würde, gäbe die Weltwoche Gegenkurs. Das ist gut so. Bei der Basler Zeitung hat die SVP keinen Einfluss? Leider nein. Aber Sie kennen Chefredaktor Markus Somm gut. Somm war früher ein Linker und hat mich 20 Jahre lang im Tagesanzeiger in die Pfanne gehauen, bevor er ein Buch über mich geschrieben hat. Aber ich habe Konvertiten gerne. Roger Köppel ist auch einer. Die gescheiteren Sozialisten ändern ihre Meinung mit zunehmendem Alter. Wie wichtig sind diese Publikationen für den Wahlkampf? Eine freie Presse nützt allen. Aber ich würde den Einfluss nicht überschätzen. Die SVP hat zugelegt, obwohl praktisch alle Medien gegen uns waren. Sie haben als SVP-Strategiechef grossen Einfluss innerhalb der Partei. Wie viel arbeiten Sie für die Partei? Etwa 50 Prozent. In meinen 40 Jahren, während denen ich nun in der Politik bin, habe ich derzeit – im Vergleich zu meinen früheren Positionen - am meisten Einfluss in der Öffentlichkeit. Obwohl ich ja kein politisches Amt mehr habe. Weil Sie im Hintergrund die Fäden ziehen können? Ich mache nichts geheim. Ich setze mich so stark für die Politik ein, weil es für die Schweiz wichtig ist. Es geht nicht darum, am Wahlabend sagen zu können, die Partei hat ein paar Prozente zugelegt und ein Mandat dazugewonnen. Worum geht es Ihnen denn dann? Wenn die SVP 2011 zulegt, wonach es aussieht, dann merken die andere Parteien, dass es vorbei ist mit dem links-grünen Trend, der die Schweiz in die EU führen will und eine haltlose Asylpolitik fährt. Die Schweizer wollen zurück zu den schweizerischen Werten der Unabhängigkeit, der direkten Demokratie und des Überblickbaren. Die Mitte-Parteien haben den Slogan Schweiz ebenfalls entdeckt. Weil es Wahljahr ist, fangen sie nun an, die Fassade neu zu streichen. Aber den Inhalt haben sie nicht geändert. Sie sagen jetzt dem Volk: «Schaut, wir sind auch ein bisschen wie die SVP.» Aber das reicht nicht. Warum nicht? Es ist ein Verzweiflungsakt der Mitte-Parteien. Das ist, wie wenn wir sagen würden, “weil die Leute mehr Steuern wollen, ist auch die SVP für mehr Steuern.“ Das glaubt uns doch niemand. Das können SP und Grüne besser. Zum Glück wollen die Leute dies nicht! Sie sind auch Mitglied im Wahlkampfteam. Dort werden Sie bleiben? Ja, natürlich. Im Wahlkampf helfe ich unbedingt mit. Was ist Ihr Ziel für die Wahlen? Wir zielen auf 30 Prozent. Das wäre sehr viel. Wir sollten auf keinen Fall schlechter werden als eine andere Partei. Das dürfte aus heutiger Sicht nicht passieren. Sie denken sogar an einen Verlust der SVP? Das ist immer möglich. Wir haben letztes Mal ein Spitzenresultat erzielt. Die anderen Parteien haben allerdings einen Blödsinn gemacht, indem sie gegen mich putschen wollten. Selbstverständlich hat die Partei das auch ausgeschlachtet mit dem Slogan «Blocher stärken, SVP wählen». Wir werden immer stärker, wenn uns die anderen schlecht behandeln. Also wird die SVP weiter wachsen? Wenn uns die anderen Parteien nach einem Wahlsieg im Herbst ernst nehmen, uns zwei Bundesratssitze geben, innerlich - nicht nur auf den Plakaten - einem EU-Beitritt abschwören, und das Gedankengut der SVP vertreten, dann werden wir wohl schwächer werden. Aber das ist dann egal. Denn wir politisieren nicht, um möglichst viele Wähler zu haben, sondern damit die Schweiz vorankommt.

20.01.2008

Wir waren noch nie so erfolgreich wie jetzt

Interview mit der "NZZ am Sonntag" vom 20. Januar 2008 von Felix F. Müller, Luzi Bernet und Francesco Benini NZZ am Sonntag: Im Albisgüetli sind Sie wieder zu Ihren Leuten und in Ihre angestammte Rolle zurückgekehrt. Sie machten einen gelösteren Eindruck als am Tag Ihrer Abwahl. Christoph Blocher: Der Eindruck täuscht nicht. Die Niederträchtigkeit, der Hass und der Neid bei meiner Abwahl hat mich und viele Leute bewegt. Wer da nicht verbittert war, ist entweder ein Mensch ohne Gesinnung oder ein Mensch ohne Gefühl. Mittlerweile ist die Erleichterung natürlich gross. Jetzt habe ich ein neues Amt und eine neue Aufgabe. Heute kann ich sagen, was ich denke. Als Bundesrat musste ich Dinge vertreten, die ich nicht gutgeheissen habe - häufiger, als Sie meinen. Warum soll Eveline Widmer-Schlumpf eigentlich nicht geeignet sein als SVP-Bundesrätin? Immerhin wurde ihr Name bei früherer Gelegenheit von Ueli Maurer ins Spiel gebracht. Ich weiss nicht, ob das zutrifft. Frau Widmer-Schlumpf weicht in den meisten Punkten von der SVP-Linie ab. Denken Sie an die Aussen-, Steuer- und Energiepolitik. Sie ist nicht die Vertreterin der SVP im Bundesrat. Sie haben früher auch mitgemacht, als es darum ging, missliebige Kandidaten der anderen Parteien zu verhindern. Das stimmt. Aber wir haben nie jemanden abgewählt, der seine Sache gut gemacht hat. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Das hätte keine Partei mit sich machen lassen. Die CVP hätte es sich nie gefallen lassen, wenn man beispielsweise Bundesrat Furgler abgewählt hätte, um ihn mit irgendeinem CVP-Regierungsrat zu ersetzen. Im Dezember haben Sie gesagt, Sie hatten nichts dagegen, wenn ein Teil der SVP-Fraktion sich mit den beiden SVP-Bundesräten träfe. Sehen Sie das immer noch so? Es steht doch jedem frei, einen Bundesrat zu treffen. Wenn aber eine separate Fraktion gebildet würde, müsste man handeln. Ein Ausschluss von Kantonalparteien wäre unumgänglich. Aber dazu wird es nie kommen. Weder in Bern noch in Graubünden haben die SVP-Vertreter mit einem Wischiwaschi-Kurs gewonnen. Niemand hat sich dort im Vorfeld der Wahlen gegen den Kurs der SVP gewehrt. Und den zweiten SVP-Sitz im Bundesrat haben wir nur dank konsequenter Politik gewonnen. Der neue Bundesrat hat soeben eine Mehrwertsteuervorlage beschlossen, die von der Wirtschaft weitgehend gutgeheissen wird. Sind Sie für die Vorlage? Zunächst handelt es sich dabei um eine Steuererhöhung - wenn auch eine verkappte. Das kommt für uns nicht in Frage. Am wichtigsten ist nicht der Einheitssatz. Das Hauptproblem für die Wirtschaft sind die Bürokratie und Schikanen bei der Anwendung der Mehrwertsteuer. Darüber sind die Unternehmer erzürnt. Bundesrat Merz will angeblich auch dagegen vorgehen, mit gleichzeitig einer zweiten Vorlage. Wir meinen: Jetzt machen wir zuerst das Nötigste - die Vereinfachung - und kümmern uns dann um die Frage des Satzes. Eine Steuererhöhung kommt aber nicht in Frage. Ob es einen oder zwei Steuersätze gibt, ist weniger wichtig. Das ist ein Anliegen von Finanz-Theoretikern. Aber die Wirtschaft hat das Vorgehen begrüsst... Beide Vorlagen sind nicht grundsätzlich falsch. Aber sie bringen eine Steuererhöhung. Und man läuft damit Gefahr, dass am Schluss nichts realisiert wird. Teilen Sie die Einschätzung, dass der jetzige Bundesrat unter dem Druck der rechten Opposition einen starken bürgerlichen und wirtschaftsnahen Kurs fahren wird? Das ist nicht auszuschliessen. Ich habe es im Albisgütli gesagt: Wir waren noch nie so erfolgreich wie in den letzten fünf Wochen. Die CVP hat einen Gegenvorschlag zu unserer Prämiensenkungs-Initiative gutgeheissen, der 90 Prozent der wesentlichen Forderungen der SVP-Volksinitiative übernimmt. Und der Bundesrat hat überraschend zugestimmt, dass die Ermittlungsbehörden künftig Einblick haben in Polizeiakten. Die FDP wendet sich nun erfreulicherweise gegen eine Prämienerhöhung bei der Arbeitslosenversicherung. Das sind neue Töne. Sie zeigen, dass die Mitte-Parteien unter dem Druck ihrer Basis stehen und der SVP nachgeben. Werden Sie weiter nach rechts rücken? Nein. Opposition heisst nicht, gegen alles zu sein. Wenn die anderen machen, was richtig ist, dann werden wir applaudieren. Aber Ihre Partei muss doch wachsen. Warum auch? Zentral ist, dass sich das Land in die richtige Richtung bewegt. Tun es die anderen, dann braucht es die SVP vielleicht nicht mehr. Dann könnte ich ans Meer liegen - obwohl es dort ausserordentlich langweilig ist. Wir haben nur ein Ziel: bessere Zustände im Land. Sie haben bis jetzt noch nicht viel Neues präsentiert. Ihre Haltung zur Personenfreizügigkeit haben Sie schon im letzten Mai in einem Mitbericht an den Bundesrat formuliert. Dazu äussere ich mich nicht. Wir müssen keine neuen Programme und Ziele präsentieren. Nur das Vorgehen. Da bringt die Albisgütli-Rede Neues. Worin besteht es? In der Verknüpfung der Personenfreizügigkeit mit dem Steuerstreit. Die EU hat einen harten Angriff auf unsere Souveränität in Steuerfragen lanciert. Der Bundesrat will zwar nicht verhandeln. Die EU wartet ab, bis die Ausdehnung der Freizügigkeit mit Bulgarien und Rumänien unter Dach und Fach ist - ein Abkommen, das nur für die EU wichtig ist. Aber es ist Teil der Bilateralen I. Sie stellen auf diese Weise die anderen Abkommen in Frage. Die Schweiz ist frei, das Abkommen über die Freizügigkeit auszudehnen oder nicht. Das hat der Bundesrat immer betont. Für die Schweizer Wirtschaft ist es nicht von grosser Bedeutung. Ausländische Arbeitskräfte bekommen wir zur Genüge auch ohne Personenfreizügigkeit. Wenn Sie gegen die Personenfreizügigkeit sind, dann fällt das bilaterale Kartenhaus zusammen. Nein. Glauben Sie, dass die EU die Abkommen wirklich kündigt? Das Verkehrsabkommen zum Beispiel bringt der EU wichtige Vorteile. Sie wird es im Eigeninteresse nicht kündigen wollen. Glauben Sie, die EU akzeptiert, dass die Schweiz zwei EU-Staaten anders behandelt als alle andern? Ich frage zurück: Finden Sie es richtig, dass die EU uns unter Druck setzt, unsere Steuergesetze zu ändern? Das haben wir nicht behauptet. Wir akzeptieren nicht den Eingriff in die Steuerhoheit. Und die EU akzeptiert nicht den Ausschluss von zwei Staaten aus der Personenfreizügigkeit. Das eine ist ohne das andere nicht zu haben. Was verlangen Sie von der EU konkret? Eine Erklärung, dass sie die schweizerische Steuerhoheit anerkennt und ihre Forderungen zurückzieht. Vielleicht gibt es ja eine sinnvolle interne Steuerreform, die die EU beruhigt. Also selbständig nachgeben! Ausserdem würde die EU sofort mit neuen Forderungen kommen. Der EU passt es nicht, dass wir tiefere Steuern haben. Sie haben angekündigt, dass sich die SVP der Schule annimmt. Konkrete Forderungen sind bisher aber ausgeblieben, auch an der Albisgütli-Tagung diese Woche. Wir werden damit kommen. Die SVP hat die Schulreformen im Sinne der 68er Generation nie gutgeheissen. Es ging stets in Richtung Leistungsabbau, Selbstverwirklichung, Kuschelecken, Noten abschaffen. Nicht nur die Sozialisten haben diese Dinge vorangetrieben, sondern zum Teil auch die Bürgerlichen. Jetzt müssen wir das grundsätzlich anschauen. Die Eltern von Schulkindern haben die Nase voll, und zunehmend auch die Lehrer. Die Qualität der Schulbildung hat abgenommen in der Schweiz. Die Lösung haben wir noch nicht. Wir setzen eine Arbeitsgruppe ein mit Lehrern und Eltern. Die 68er sind in den Schulen schon seit einiger Zeit auf dem Rückzug. Es werden verbindliche Leistungsstandards festgelegt an den Schweizer Schulen. Leistung, Sorgfalt, Genauigkeit, Sprachbeherrschung - selbst Bildungsdirektoren wie Ernst Buschor haben hier von "Sekundär-Eigenschaften" gesprochen. Ich habe Reglemente neusten Datums gesehen. Was ich fand, atmet diesen Geist: Die Kinder bestimmen selber, wann sie nicht mehr lernen wollen. Deshalb schicken immer mehr Eltern im Kanton Zürich ihre Kinder an Privatschulen. Das ist kein Zustand. Wenn an den Schweizer Schulen eine Misere herrscht, wieso schneiden die Schweizer Jugendlichen im Pisa-Test hervorragend ab in Mathematik? Als ehemaliger Unternehmer sage ich Ihnen: Das Wichtigste ist, Angestellte zu finden, die fehlerlos schreiben können. Selbst Ingenieure können das nicht mehr. Da wird doch niemand behaupten, die Schulbildung in unserem Land sei gut genug. Von Lehrbetrieben weiss ich, dass sie aus gewissen Kantonen keine Lehrlinge - wegen ungenügender Schulen - aufnehmen können. Sie lehnen eine befristete Erhöhung der Mehrwertsteuer für den Schuldenabbau bei der Invalidenversicherung ab. Wie wollen Sie den Schuldenberg der IV abtragen? Bevor nicht die laufenden Defizite beseitigt sind, darf man der IV kein Geld geben. Das Problem der IV ist, dass sie pro Jahr 1,5 Milliarden Franken Defizite erzeugt. Natürlich ist es viel mühsamer, den Missbrauch bei der Invalidenversicherung zu bekämpfen, als das Problem mit Geld zuzudecken. Es braucht jetzt die sechste IV-Revision, mit der wir verhindern, dass die IV laufend neue Schulden macht. Sie haben erklärt, dass Sie ein Unternehmen kaufen wollen. Haben Sie das schon getan? Nein. Ich lege den Schwerpunkt jetzt auf die Politik. Wenn es eine Gelegenheit gibt, können wir sehen. Wann bringen Sie den "Dreck" an die Öffentlichkeit, von dem Sie nach Ihrer Abwahl gesprochen haben? Ich werde aufzeigen, was in der Bundesanwaltschaft und der Oberaufsicht passiert. Hier geschieht und geschah Unglaubliches. Ein Beispiel sind die Ereignisse vom 5. September 2007. Ich habe den Bundesrat darüber informiert, dass ich mich diesbezüglich nicht an das Amtsgeheimnis gebunden fühle, und der Bundesrat hat keinen Einspruch eingelegt. Zudem muss aufgezeigt werden, wie in der Schweiz der Rechtsstaat ausgehebelt wird. Es gibt Gesetze, die in Einzelfällen angewendet werden und in anderen nicht. Es kommt vor, dass das Parlament Gesetze fordert, die es längst gibt - nur wendet man sie selektiv an. Das ist eines Rechtsstaates unwürdig. Wollen Sie wieder in den Bundesrat? Das wollte ich nie. Es war damals notwendig. Ob sich erneut eine solche Situation ergibt, werden wir sehen.

18.01.2008

Du côté du peuple

Discours de l'Albisgüetli, 18 janvier 2008

18.01.2008

Dalla parte del popolo

Discorso del Albisgüetli del 18 gennaio 2008